
Der Festungsbauer aus dem Sopraceneri
Pietro Morettini war als «Schutzpatron» in ganz Europa aktiv. Der Festungsbauer aus dem Süden der Eidgenossenschaft arbeitete für verschiedene Herrscher und genoss hohes Ansehen. Nur in der Heimat war er ein eher unbekannter Zeitgenosse.
Die Ehe war fruchtbar, insgesamt entsprangen ihr elf Kinder. Doch die Zeiten in Namur waren unruhig. Bereits drei Jahre nach der Belagerung der Franzosen wurde die Stadt von englisch-holländischen Truppen zurückerobert. Morettini hatte sich jedoch nicht nur in Marie-Rose Ronchan, sondern auch in Namur verliebt. Er trat aus Vaubans Diensten aus und wechselte die Seiten. Nur so konnte er weiter in der Stadt arbeiten. Nach zwei weiteren Jahren in der Stadt im heutigen Belgien arbeitete er unter der Leitung von Menno van Coehoorn an Bauten auf dem ganzen Gebiet der Vereinigten Niederlanden. Ironie dieses Seitenwechsels: Im Wettstreit um die besten Festungsbauten war Morettinis neuer Vorgesetzter ein grosser Konkurrent seines alten Chefs.


Das Projekt Urnerloch dauerte rund elf Monate und war für die Region ungemein wichtig, denn das einzige wirtschaftliche Einkommen der Bevölkerung waren die Zollgebühren auf die Durchfahrt von Waren durch die unwegsame Schöllenenschlucht. Mit dem «Loch» entstand der erste Verkehrstunnel der heutigen Schweiz. Er war 64 Meter lang und nur so hoch, dass ein Karren gerade durchfahren konnte.
Die Meienschanze in Wassen aus dem Jahr 1710 ist das einzige Schweizer militärische Werk Morettinis, das heute noch teilweise sichtbar ist. Die Meienschanze bewährte sich bereits 1712 während des Zweiten Villmergenkriegs. Hier wehrten die Urner erfolgreich die Berner ab, die bereits auf den Sustenpass vorgedrungen waren.


Genua war lange Zeit eine wichtige Seemacht gewesen. Mit geschicktem Handel, einem florierenden Bankenwesen und zahlreichen Handelsposten am Schwarzen Meer hatte sich die Republik Jahrhunderte lang behaupten können. Doch nun waren die goldenen Zeiten vorbei. Zermürbt von den Konflikten mit Savoyen und Frankreich war der Niedergang nur noch eine Frage der Zeit. Allerdings wollte man in Genua diesen Niedergang so lange wie möglich hinausschieben. Und dafür brauchte es gute Verteidigungsanlagen. Ein klarer Fall für Pietro Morettini. Der Ingenieur arbeitete zwischen 1717 und 1736 für die Genuesen und wurde zum ersten Ingenieur und Direktor der Festungsanlagen ernannt. Er fertigte Studien an und leitete diverse Baustellen. Unter anderem auf Korsika – in Ajaccio, Calvi und Bonifacio – die damals unter der Herrschaft der Republik Genua standen.
Vieles von dem, was Morettini verwirklicht hat, ist bis heute erhalten geblieben. Beispielsweise das wunderschöne Pulvermagazin der Festung von Gavi Ligure oder der Palazzo della Sibilla in der Festung Priamar in Savona. Morettini engagierte sich auch stark in den militärischen Angelegenheiten der Republik Genua, er war inzwischen Oberst. Dieses Engagement bewog zwei seiner Söhne, später als Offiziere, die für die Organisation von Söldnertruppen zuständig waren, im Militärdienst der Republik Genua blieben.
Pietro Morettini war einer der grössten Militäringenieure der Schweiz, der sich auch als Architekt, Stadtplaner und Tunnelbauer einen Namen gemacht hatte. Seine Erfahrungen in ganz Kontinentaleuropa verliehen ihm eine aussergewöhnliche Arbeitskraft und immer wieder neue Ideen: die Realisierung von mindestens 40 Festungen und Bauwerken sowie von rund 100 Projekten beweisen dies eindrücklich. Es ist somit sehr treffend, dass der heutige Tunnel zwischen Tenero und Locarno auch «Mappo-Morettina Tunnel» genannt wird.


