
Der Zuger Monstranz-Wettstreit
Wenn Kaiser und König konkurrieren, kann die Kirche profitieren. Wie Ober- und Unterägeri im Kanton Zug je zu einer aussergewöhnlichen barocken Monstranz kamen, beide notabene mit politischer Botschaft.
Dass die Unterägerer – im frühen 18. Jahrhundert eine Gemeinde mit rund 600 Einwohnern – künftig für Ludwig XV. und das französische Königshaus beten würden, hatte deren Pfarrer, Dr. Bernhard Fliegauf, bereits in seinem lateinisch verfassten Brief an den französischen König versichert, in welchem er die Schenkung einer Monstranz erbat. Doch ging es beiden Seiten nicht nur um das Gebet für göttlichen Schutz, sondern ganz handfest um Repräsentation und Rivalität: Konkurrierte der französische König damals mit Kaiser Karl VI., so stand Pfarrer Fliegauf in Konkurrenz mit der Mutterpfarrei von Oberägeri. Von dieser hatte sich seine Pfarrei 1714 getrennt und zur neuen, 1725 geweihten Kirche leistete er selbst einen erheblichen finanziellen Beitrag.
Bereits am 14. September 1727 wurde die Monstranz von einem kaiserlichen Boten bei einem Festmahl in Oberägeri übergeben. Und tatsächlich war sie ein starkes Statement gegen den französischen Einfluss im Kanton Zug und brachte das machtpolitische Selbstverständnis des Kaisers pointiert zum Ausdruck: Indem auf deren Fuss in ebenso auffälliger wie ungewohnter Weise im mittigen Emailmedaillon auf der Schauseite der heiligen Joseph und Nährvater Jesu erscheint, nicht aber der Gottessohn selbst, inszeniert sie den Kaiser, dessen Bildnis auf der Rückseite als Pedant zu sehen ist, gleichsam als Nährvater und Beschützer aller (katholischen) Gläubigen.
Wir wissen, dass die Bitte von Ludwig XV. erhört wurde. 1000 Livres hat er freigegeben, damit sein Ambassador in Solothurn, Jean-Louis d’Usson, Marquis de Bonnac, beim dort ansässigen, schon 82-jährigen Goldschmied Johann Heinrich Büeller eine Monstranz für Unterägeri in Auftrag geben konnte. Diese fiel zwar etwas kleiner aus als die kaiserliche von Oberägeri, aber sie ist von grösserer Leichtigkeit sowie geradezu höfischer Eleganz und nach Linus Birchler eine der schönsten Barockmonstranzen der Schweiz. Und wie nicht anders zu erwarten, zeigt sie unübersehbar, wessen Geschenk sie ist: Über dem herzförmigen Hostienschrein schwebt eine Königskrone mit französischen Lilien, darunter findet sich das Doppelwappen von Frankreich und Navarra, eingefasst von der aus dem Buchstaben L gebildeten Kette des königlichen Ordens des heiligen Ludwig.


