Innerschweizer Soldaten ziehen in die Zweite Schlacht von Villmergen. Gemälde von Johann Franz Strickler um 1712.
Krieg braucht Personal. Bei Konflikten innerhalb der Eidgenossenschaft wie den Villmergerkriegen hätte man anstelle von einheimischen lieber ausländische Söldner eingesetzt. Innerschweizer Soldaten ziehen in die Zweite Schlacht von Villmergen. Gemälde von Johann Franz Strickler um 1712. Schweizerisches Nationalmuseum

Misere mit der Miliz und Söldner gegen die Innerschweiz

Im 17. Jahrhundert bemühten sich Zürich und Bern um die Anwerbung von fremden Truppen im Kampf gegen die katholischen Miteidgenossen. Warum die einheimische Miliz als wenig schlagkräftig galt, und welche Hoffnungen die beiden Städte in die Söldneranwerbung setzten.

Sarah Rindlisbacher Thomi

Sarah Rindlisbacher Thomi

Sarah Rindlisbacher Thomi ist Dozentin an der Abteilung für ältere Schweizer Geschichte am Historischen Institut der Universität Bern.

Die dreizehn Orte der alten Eidgenossenschaft waren in der Vormoderne weit herum als Söldnerexporteure bekannt. Zwischen 10'000 und 20'000 Mann kämpften zu Beginn der Frühen Neuzeit im Dienste gutzahlender Fürsten und Monarchen auf den Schlachtfeldern Europas. Fast ebenso bekannt ist die alte Eidgenossenschaft für ihr althergebrachtes militärisches Milizsystem. Im Gegensatz zum allgemeinen Trend im Europa des 17. Jahrhunderts setzten die eidgenössischen Orte nicht auf teure Söldnerheere, sondern auf die kostengünstigere Variante der Milizarmee. Was heute jedoch kaum jemand weiss: Die Schweizer beschäftigten sich gelegentlich auch selber mit der Anwerbung von fremden Kriegsknechten – und zwar mit der Absicht, diese gegen die Miteidgenossen einzusetzen. So ist etwa dem Konferenzprotokoll einer Zusammenkunft von Zürich und Bern aus dem Jahr 1628 zu entnehmen:

Und aber so wird hieby erforder­lich erachtet, daß unverza­gen­lich ein Anzahl frömbdes Kriesvolckh zu Roß und Fuß in gemeinem Nammen und Costen pro rata jedes Orths geworben, und der daruff gahnde Uncosten keines wegs gespart werden solte.

Konferenzprotokoll einer Zusammenkunft von Zürich und Bern aus dem Jahr 1628
Wie passen solche geplanten Werbungen mit dem eidgenössischen Milizsystem und der Rolle der Orte als Söldnerlieferanten zusammen? Und warum eigentlich wollten Zürich und Bern fremde Truppen anheuern? Brüderliche Einigkeit unter den Eidgenossen existierte im 17. Jahrhundert bloss als Ideal oder Appell, in der Realität bestimmten ständige Auseinandersetzungen das Zusammenleben in der alten Schweiz. Immer wieder kam es zu bewaffneten Konflikten zwischen Zürich und Bern einerseits und den Innerschweizer Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug andererseits (Kappelerkriege 1529/1531 und Villmergerkriege 1656/1712). Viele Konflikte zwischen den Eidgenossen konnten gestoppt werden, bevor es zum Waffengang kam, doch schwelte der Unfriede unter der Oberfläche weiter. Offensichtlichster Gegensatz in diesen Konfrontationen waren die auseinanderstrebenden Glaubensansichten, die sich nach der Reformation ausgebildet hatten und die Schweiz in ein katholisches und in ein reformiertes Lager unterteilten. Aber auch Machtinteressen, Territorialkämpfe und unterschiedliche Auffassungen von Herrschaft begünstigten den Konfliktausbruch. Das besondere Interesse von Zürich und Bern an fremder militärischer Hilfe hat seinen Ursprung in den reformatorischen Solddienstverboten, die erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Bern) oder im beginnenden 17. Jahrhundert (Zürich) aufgehoben wurden. Auch danach entwickelte sich das Geschäft mit dem Krieg vorerst nur zögerlich, verglichen etwa mit dem florierenden Söldnermarkt in der Innerschweiz. Dies bedeutet: Die beiden Städte besassen nur wenige kampferprobte Veteranen und Offiziere, die auf den europäischen Schlachtfeldern ihr Kriegshandwerk erlernt hatten. Die Mängel ihrer Miliz traten dadurch umso offener zutage.
Soldaten mussten nicht nur vorhanden, sondern auch ausgebildet sein. Abbildung zum Ladevorgang eines Vorderladers im Zürcher Kriegsbüchlein von 1651.
Soldaten mussten nicht nur vorhanden, sondern auch ausgebildet sein. Abbildung zum Ladevorgang eines Vorderladers im Zürcher Kriegsbüchlein von 1651. ETH-Bibliothek
So verzweifelte etwa der bernische Oberst Hans Ludwig von Erlach schier an der Aufgabe, die Berner Miliz kriegstauglich zu machen. Beim Versuch der Umsetzung seiner Reformen biss er bei den ihm unterstellten, zumeist bäuerlichen «Hausvätern» regelmässig auf Granit. Von Erlach schrieb 1633 an den Berner Rat, dass er jedes Mal Herzrasen verspüre, wenn er sich mit den Berner Truppen um den Grenzschutz kümmern müsse. Die gnädigen Herren mögen ihn mit diesem unbändigen Volk verschonen und einen anderen ernennen, der dieses besser befehligen könne. Diese Worte kamen von einem Kriegsexperten, der in verschiedenen deutschen und schwedischen Heeren gedient hatte und schliesslich in eines der höchsten militärischen Ämter in Frankreich aufsteigen sollte. Der Berner Miliz schien er aber nicht gewachsen: «Der Unwillen ist da, die Nachlessigkeit gleichfalls, kein Gehorsamb, kein Affection zum Vaterlandt, ehe [sie] an ihre bestimpte Posten kommen, schreyen [sie] nach Gelt [...]; die Offiziere seyn unerfahren, unerfahren die Soldaten, ungeübt in Wehren, sowoll die einen als die anderen.»
Porträt von Hans Ludwig von Erlach um 1650.
Porträt von Hans Ludwig von Erlach um 1650. Wikimedia
Nicht besser sah es in Zürich aus. Die beiden Obersten Kaspar Schmid und Viktor Escher inspizierten 1630 die Zürcher Miliz und kamen zum Schluss: Die Schützen seien schlecht im Waffengebrauch unterrichtet, und unter den 10'000 Soldaten könne gerade einmal ein Zehntel das Gewehr bedienen (und dies auch nur mittelmässig). Wer neben ihnen im Feld stehe, laufe eher Gefahr, «von ihnen selbst ein Stoß zu bekommen, als von Veindt». Der Zürcher General Hans Rudolf Werdmüller, der während des Ersten Villmergerkriegs 1656 die Zürcher Truppen befehligte, beklagte sich nach verlorener Schlacht heftig über das schlecht ausgerüstete und disziplinlose Heer und die ihm unterstellten feigen und zaghaften Offiziere.
Der Zürcher General Hans Rudolf Werdmüller
Der Zürcher General Hans Rudolf Werdmüller verzweifelte ob der mangelnden Einsatzfähigkeit seiner Truppen. Schweizerisches Nationalmuseum
Was war zu tun? Offensichtlich hielten die Zürcher und Berner Milizen im Ernstfall feindlichen Truppen nicht stand. Insbesondere die Innerschweizer Milizen, die zu einem beträchtlichen Teil aus ehemaligen Söldnern und Solddienstoffizieren bestanden, erwiesen sich auf dem Schlachtfeld als sehr viel schlagkräftiger als die Heere der reformierten Orte. Die Lösung lag auf der Hand: Die beiden Städte wollten selber Söldner anwerben und diese als Spezialabteilung in die heimische Miliz integrieren. Davon versprachen sich Zürich und Bern mehrere Vorteile. Denn schlechte Disziplin und ungenügender Ausbildungsstand stellten nur einen Teil des Problems mit der Milizarmee dar. Ebenso schwer wog die Tatsache, dass es sich die gnädigen Herren in Zürich und Bern mit ihren Untertanen auf der Landschaft nicht verscherzen durften, da ansonsten Revolten und Unruhen zu befürchten waren. Anders als in umliegenden Monarchien waren die politischen Eliten in der Eidgenossenschaft auf die Willfährigkeit der Landbevölkerung bei der militärischen Verteidigung angewiesen.
Wappenscheibe zur Erinnerung an den Sieg über die Berner in der Ersten Schlacht von Villmergen am 24. Januar 1656.
Wappenscheibe zur Erinnerung an den Sieg über die Berner in der Ersten Schlacht von Villmergen am 24. Januar 1656. Die Scheibe wurde von Pater Pius Kreuel aus dem Kloster Einsiedeln, damals Statthalter in Pfäffikon, in Auftrag gegeben und widerspiegelt somit die Sichtweise des Klosters auf den Krieg. Schweizerisches Nationalmuseum
Bekannterweise bergen Waffengänge das Risiko für Tod und Verletzung. Diesem Risiko setzten sich auch in der Vormoderne die Leute nur sehr ungern aus. Der Zürcher Militärberater Johannes Haller formulierte deshalb im Jahr 1620 klipp und klar: Der Rat solle fremde Söldner anheuern, da einem an diesen viel weniger läge als an frommen Burgern und Landleuten, deren Leben man ansonsten bei gefährlichen Waffengängen aufs Spiel setzen müsse. Falls nun aber von den Fremden «ein Anzal daruf geht, hat man doch kein Sorg, das inen yemands nachschrye, unnd ein ehrsamme Oberkeyt ihnen Wyb unnd Kind erzühen müße». Die eigenen Untertanen müsse man schonen, die fremden Söldner jedoch nicht, weshalb Letztere insbesondere bei risikoreichen Aktionen wie etwa der Stürmung von Belagerungen zum Einsatz kommen sollten. Darüber hinaus könnten die zumeist bäuerlichen Milizsoldaten rascher auf ihre Felder zurückkehren und dort auf eine gute Versorgungslage hinarbeiten, während die Söldner länger auf dem Schlachtfeld behalten werden konnten.
Ölgemälde der ersten Schlacht von Villmergen von 1656.
Im Ersten Villmergerkrieg von 1656 wurde die verhältnismässig modern ausgerüstete Streitmacht Berns durch die Truppen der katholischen Innerschweizer Orte vernichtend geschlagen, indem diese, mehrheitlich mit Stangenwaffen ausgerüstet, ungestüme Sturmangriffe in Heerhaufen wie zur Zeit des 16. Jahrhunderts durchführten. Wikimedia
Eine Kehrseite der sogenannten Hausvätermiliz war in der Tat, dass zumeist die Familienoberhäupter – teilweise auch als Stellvertreter ihre Söhne – zum Militärdienst eingezogen wurden und im Todesfall Witwen und Waisen zurückliessen. Zuständig für die Hinterbliebenen waren wiederum die Gemeinden respektive die Obrigkeit, die dafür Mittel zur Verfügung stellen musste. Die Anwerbung von Söldnern ist also nicht zuletzt als erweiterte Sozialpolitik zu verstehen, um einer Verarmung der Landbevölkerung im Kriegsfall entgegenzuwirken. Besonders interessiert zeigten sich Zürich und Bern an der Anwerbung von berittenen Truppen, da sie sich selber lange schwer damit taten, eine eigene Kavallerie auf die Beine zu stellen.
Verlumpte Familie in armseligem Raum, Radierung von 1817.
Der Verlust des Vaters oder eines Sohnes traf die sowieso schon am Hungertuch nagenden Familien auf dem Land besonders hart. Auch darum versuchte man Söldner aus dem Ausland anzuwerben. Verlumpte Familie in armseligem Raum, Radierung von 1817. Schweizerisches Nationalmuseum
Es bleibt noch die Frage zu beantworten, woher denn die Söldner stammen sollten, und ob sie je zum Einsatz gekommen sind. Zürich und Bern wandten sich in dieser Angelegenheit am häufigsten an geographisch nahe gelegene protestantische Verbündete. So wurde oft der Herzog von Württemberg für berittene Truppen oder auch für Fusstruppen angefragt, da eine Verschiebung der Kriegsknechte von dort einfach und schnell zu bewerkstelligen war. Weiter wandten sich Zürich und Bern auch an die Kurpfalz und Hessen sowie – während des Dreissigjährigen Kriegs – an Schweden. Es gab zudem Pläne, England und die Niederlande um Geld anzufragen, um damit Bündner oder Süddeutsche anwerben zu können.
Rekrutierung von Soldaten während des Dreissigjährigen Krieges. Stich von Jacques Callot, 1633.
Rekrutierung von Soldaten während des Dreissigjährigen Krieges. Stich von Jacques Callot, 1633. Rijksmuseum Amsterdam
Der Erfolg der Anwerbebemühungen fiel allerdings sehr bescheiden aus. Zwar versprachen etwa die Kurpfalz und Hessen im Jahr 1664, bei einem zukünftigen Notfall Söldner zu liefern, doch scheinen diese – wenn überhaupt – nur in sehr kleiner Zahl zum Einsatz gekommen zu sein. Schlachtenentscheidend waren sie in den eidgenössischen Konflikten jedenfalls nicht. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen gab es auch unter den Zürchern und Bernern immer wieder Stimmen, die davor warnten, sich auf Fremde zu verlassen. Diesen könne man nur bedingt trauen und man hole sich Unruheherde ins Land, wenn man Soldtruppen bei der Landbevölkerung einquartiere. Zum andern waren die innereidgenössischen Waffengänge zumeist bereits nach wenigen Wochen wieder vorbei – zu kurz, um auf die Schnelle ein Söldnerheer auf die Beine zu stellen. So machte etwa der Kurfürst der Pfalz die Zürcher 1664 darauf aufmerksam, dass er die Söldner nicht einfach «auß der Täschen schütten» könne. Die Aufstellung eines Söldnerheers benötigte Zeit und vor allem Geld; beides wollten weder Zürich noch Bern investieren. Die Bemühungen scheiterten demnach an einer Fünfer-und-Weggli-Anspruchshaltung: Die Truppen sollten günstig und schnell verfügbar, aber dennoch hochprofessionalisiert und entbehrlich sein. Dieser Spagat war unmöglich zu schaffen.
Auch das war für die lokale Bevölkerung bisweilen belastend: Feiernde Soldaten vor einem Gasthaus. Stich von Frans van den Wijngaerde, nach Peter Paul Rubens, um 1650.
Auch das war für die lokale Bevölkerung bisweilen belastend: Feiernde Soldaten vor einem Gasthaus. Stich von Frans van den Wijngaerde, nach Peter Paul Rubens, um 1650. Rijksmuseum Amsterdam
Dennoch fand die Misere mit der Miliz für Zürich und Bern im Nachgang der Niederlage im Ersten Villmergerkrieg 1656 ein Ende. Die beiden Orte hatten erkannt, dass sich ihre Truppen in einem bedauernswerten Zustand befanden und Reformen gefragt waren. Zwar unterliessen sie ab dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts weitere Bemühungen für eigene Söldnerrekrutierungen, auf die Expertise des Auslands in militärischen Belangen konnten die Zürcher und Berner aber trotzdem nicht verzichten. Sie schickten ihre Landleute als Söldner und Offiziere in die Niederlande, die damals als militärisch besonders fortschrittlich galten und den Dienst in einem protestantischen Umfeld garantierten. Das Geschäft florierte, und die Niederlande wuchsen neben Frankreich zum grössten Abnehmer von eidgenössischen Soldtruppen heran. Diese «Kriegsschule», wie sie von Zürich und Bern genannt wurde, zeitigte dann auch tatsächlich im frühen 18. Jahrhundert die langersehnten Erfolge. Zwar waren in Zürich noch hin und wieder Klagen über das Milizsystem zu vernehmen: So hatten sich etwa in den 1680er-Jahren viele Zürcher Stadtbürger für die Kavallerie eingetragen, ohne überhaupt ein Pferd zu besitzen, nur um den regelmässig angesetzten Schiesstagen zu entgehen. Doch gerade auf Berner Seite zeigten die militärischen Reorganisationsbemühungen Wirkung und die zürcherisch-bernischen Milizheere errangen im Zweiten Villmergerkrieg von 1712 einen wichtigen Sieg über die Innerschweizer Heere. Fremde Söldner sind unter den Beteiligten zwar keine auszumachen, doch dürfte dem im Ausland errungenen militärischen Know-How eine entscheidende Rolle zugekommen sein.
Söldner auf dem Marktplatz von Utrecht am 31. Juli 1618. Gemälde von Joost Cornelisz Droochsloot, 1625 (Ausschnitt).
Söldner auf dem Marktplatz von Utrecht am 31. Juli 1618. Gut möglich, dass sich unter diesen auch Männer aus der Eidgenossenschaft befinden. Gemälde von Joost Cornelisz Droochsloot, 1625 (Ausschnitt). Rijksmuseum Amsterdam

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