Die Bedrohung einer Energiemangellage ist für die Schweiz nichts Neues. Wiederholt war die Nachfrage nach Energieträgern höher als das vorhandene Angebot. Eine Energiequelle, die vor allem in Krisenzeiten immer wieder angezapft wurde, darf heute allerdings nicht mehr verwendet werden – der Torf.
Das Dampfschiff kündigte das Goldene Zeitalter des Torfstechens an. Illustration von Marco Heer.

Energie­trä­ger aus dem Moor

Die Bedrohung einer Energiemangellage ist für die Schweiz nichts Neues. Wiederholt war die Nachfrage nach Energieträgern höher als das vorhandene Angebot. Eine Energiequelle, die vor allem in Krisenzeiten immer wieder angezapft wurde, darf heute allerdings nicht mehr verwendet werden – der Torf.

Reto Bleuer

Reto Bleuer

Reto Bleuer ist ehrenamtlicher Mitarbeiter des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern.

Die Geschichte des Torfabbaus in der Schweiz beginnt mit dem Raubbau an den hiesigen Wäldern, dem damit verbundenen Holzmangel und der steigenden Bevölkerungszahl gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Damit setzt die Gewinnung des Brennstoffes aus den Mooren verhältnismässig spät ein. Aus Norddeutschland und Holland ist bekannt, dass dort schon bedeutend früher Torf abgebaut und verarbeitet wurde. Torf besteht aus unvollständig zersetzten und konservierten Pflanzenresten und bildet eine Vorstufe zur Kohle. In getrocknetem Zustand kann der Torf einen akzeptablen Heizwert erreichen. In der Stadt Bern beschäftigte sich 1737 die sogenannte Holzkammer erstmals mit der Verwendung von Torf anstelle von Holz. Dieses Gremium war dafür zuständig, dass die Bevölkerung und das Gewerbe das benötigte Brenn- und Bauholz geliefert bekam. Erste Versuche mit dem «Torfstechen» wurden im Lörmoos, einige Kilometer nordwestlich von Bern, unternommen. Das Material, das auch «unterirdisches Holz» genannt wurde, diente dann im oberen und niederen Spital als Heizmaterial. Der Mangel an Holz bestand aber weiterhin, die Holzkammer sah sich deshalb gezwungen, weitere Moorgebiete abzuernten. Ein Dekret von 1786 sah vor, auch den Bedürftigen der Stadt vermehrt Torf anstelle von Holz abzugeben und in den obrigkeitlichen Gebäuden mit Torf zu heizen. Dies erhöhte den Torf-Bedarf zusätzlich. Die Holzkammer musste sich erneut nach neuen Moorgebieten umsehen und wurde in Schwarzenegg, nordöstlich von Thun im rechten Zulgtal gelegen, fündig. Diese Gegend ist geprägt von den Spuren der letzten Eiszeit. Zahlreiche Wallmoränen ziehen sich über die Hügel an der Grenze zwischen dem Emmental und dem Berner Oberland. So sind viele Mulden entstanden, in denen sich, auch dank dem tonerdigen, undurchlässigen Untergrund, eine grosse Anzahl Moorlandschaften bilden konnte. Aus einem dieser Moore erhielt die Stadt Bern nun jährlich rund 1500 Fuder Torf.
Mann beim Torfstechen in Schwarzenegg, Reportagebild von Hans Ruedi Bramaz, 1977.
Mann beim Torfstechen in Schwarzenegg, Reportagebild von Hans Ruedi Bramaz, 1977. ETH-Bibliothek
Dabei lag das eigentlich zum Torfabbau prädestinierte Gebiet im Westen des Kantons: das Grosse Moos, das riesige, an den Jurarandseen gelegene Sumpfgebiet. Hier begannen die angrenzenden Gemeinden im frühen 18. Jahrhundert mit dem Torfabbau, zumeist zum Eigengebrauch der Bevölkerung. Die erste Juragewässerkorrektion von 1868 bis 1891 brachte eine Trockenlegung von rund 400 Quadratkilometern Moorfläche mit sich. Die Zeit, um den Torfabbau weiter voranzutreiben, war ideal, da auch die einsetzende Industrialisierung und das Aufkommen von Eisenbahnen und Dampfschiffen als Fortbewegungsmittel immer mehr Brennmaterial verlangten. Das Goldene Zeitalter des Torfstechens hatte damit begonnen.
Blick vom Mont Vully über das Grosse Moos mit dem Broye-Kanal, kolorierte Aufnahme von Leo Wehrli, 1942.
Blick vom Mont Vully über das Grosse Moos mit dem Broye-Kanal, kolorierte Aufnahme von Leo Wehrli, 1942. ETH-Bibliothek
Bereits vor der Gewässerkorrektion wurde 1857 die Berner Torfgesellschaft (BTG) gegründet. Ihr primäres Ziel war der Abbau und Verkauf der mächtigen Torfvorkommen im Gebiet Hagneck. Aber auch an vielen anderen Orten konnte die Gesellschaft Ausbeutungsrechte erwerben. Der Transport der grossen Torfernte verlangte schon bald maschinelle Unterstützung. Die Gesellschaft kaufte dazu einen Raddampfer und liess den Torf auch mit der Eisenbahn weitertransportieren. Mit der Bernischen Staatsbahn schloss sie 1864 einen Kaufvertrag über jährlich rund 8000 Klafter Torf ab. Die Bahn benutzte den erworbenen Brennstoff zum Betrieb ihrer zwölf Dampflokomotiven.
Torfgewinnung um 1920.
Torfgewinnung um 1920. ETH-Bibliothek
Auch der Schwarzenegger-Torf fand guten Absatz: Die Dampfschiffgesellschaft hatte einige ihrer Thunersee-Schiffe auf Torffeuerung umgebaut und war nun dankbare Abnehmerin des Brennstoffes. Die Gesellschaft war sogar im Besitz eines eigenen Moores, dem Untermoos in Wachseldorn. Mit den verbesserten Transportmöglichkeiten durch den Einsatz von Dampfkraft erwuchs dem Torf aber schon sehr bald eine neue Konkurrenz – die Kohle. Noch 1850 lag die Kohle bei den genutzten Energieträgern in der Schweiz mit einem Anteil von 3 Prozent hinter dem Torf zurück (Anteil 9 Prozent) und spielte in der Schweizer Energielandschaft keine Rolle. Mit dem raschen Ausbau des Schienennetzes stieg der Kohleimport, mehrheitlich aus Deutschland, innert kurzer Zeit stark an. Die ausländische Kohle war, im Gegensatz zur inländischen, billig und von besserer Qualität. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrug der Anteil der Kohle am Bruttoenergieverbrauch der Schweiz fast 80 Prozent.
Das Wachseldornmoos im rechten Zulgtal. Bis in die 1960er-Jahre wurde hier Torf abgebaut. Im Hintergrund sind vier erhaltene «Turbenhäuschen» zu sehen, in denen der Brennstoff gelagert wurde. Heute gilt das Wachseldornmoos als Flach- und Hochmoor von nationaler Bedeutung und steht unter Naturschutz.
Das Wachseldornmoos im rechten Zulgtal. Bis in die 1960er-Jahre wurde hier Torf abgebaut. Im Hintergrund sind vier erhaltene «Turbenhäuschen» zu sehen, in denen der Brennstoff gelagert wurde. Heute gilt das Wachseldornmoos als Flach- und Hochmoor von nationaler Bedeutung und steht unter Naturschutz. Foto: Reto Bleuer
Die Bedeutung des Torfes nahm durch den Siegeszug der Kohle zwar rasch ab, er wurde aber in kleineren Mengen weiter abgebaut und, zumeist in ländlichen Gebieten, weiterhin zu Heizzwecken verwendet. Auf dem Thunersee waren Schiffe mit Torffeuerung bis ins Jahr 1889 unterwegs. In nachfolgenden Krisenzeiten, als die Kohlenimporte stark zurückgingen, erlebte der Torfabbau jeweils eine Renaissance und wurde entsprechend intensiviert. So wurden während der zwei Weltkriege in der Schweiz über 2,5 Millionen Tonnen gestochen und verwertet. Dadurch, und mit der fortwährenden Entwässerung zur Landgewinnung, verschwanden im Verlaufe des 20. Jahrhunderts viele Moore vollständig. Erst mit der Rothenturm-Initiative im Jahr 1987 zum «Schutz der Schweizer Moore» wurde der Torfabbau hierzulande endgültig verboten und die noch vorhandenen knapp 10 Prozent der ursprünglichen Moorflächen der Schweiz wurden nachhaltig geschützt.

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