So hätte die römische Badeanlage in Augusta Raurica aussehen können. Im Vordergrund sind die ausgegrabenen Grundmauern der Bäder zu sehen. Foto: Augusta Raurica, Susanne Schenker

Mord und Totschlag in der römischen Wellnessoase

Wellness war für die Römer Pflicht. Auch in Augusta Raurica. Allerdings wurde in den Bädern auch gemordet. Das haben Ausgrabungen bewiesen. Es wurden menschliche Knochen mit Hiebspuren gefunden.

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer ist Historiker und Autor.

Nicht nur am Zürichsee, auch am Rhein genoss man das römische «sapere vivere». Augusta Raurica, eine unter Kaiser Augustus gegründete Koloniestadt, entwickelte sich im ersten nachchristlichen Jahrhundert prächtig. Die hölzernen Bauten wurden durch steinerne ersetzt, Tempel, Thermen und Theater prägten das Stadtbild. Zu ihrer Blütezeit beherbergte die Stadt rund 15’000 Einwohner – eine Zahl, die ihre Nachfolgergemeinden Augst und Kaiseraugst bis heute nicht erreichen.

Rauricas Quartiere waren teils vom Handwerk, teils vom Handel geprägt, es gab noblere Gegenden genauso wie Strassenzüge, wo vor allem einfache Leute lebten. Ebenso konnte es vorkommen, dass eine einst schäbige Wohngegend zur trendigen Adresse wurde, wie beispielsweise die Gegend zu Füssen der Curia, nördlich des Forums. Dort siedelten zunächst einfache Handwerker, bevor ein besonders cleverer Geschäftsmann zwischen ihren Buden eine Wellnessoase errichtete. Diese war privat geführt und damit kostenpflichtig – ganz im Gegensatz zu den kostenlosen öffentlichen Bädern, welche Senatoren, Tribune, Legaten und Bürgermeister aus ihrem Privatvermögen finanzieren mussten. Ein politisches Amt musste man sich eben leisten können.

Das unterirdische Brunnenhaus in Augusta Raurica. Foto: Augusta Raurica, Susanne Schenker

Zurück zum Bad im früheren Handwerkerviertel: Dank seinem schwefelhaltigen Wasser im Brunnenhaus bot das Bad einen exklusiven Service und konnte vermutlich mit Schwefelbädern oder Schwefeltrinkkuren aufwarten. Vom Schriftsteller Plinius wissen wir, dass die Römer schwefelhaltiges Wasser zur Kur von Nervenleiden einsetzten. Das Bad bestand über mehrere Jahrzehnte – und wurde vermutlich Zeuge mehrerer Verbrechen. Ausgrabungen im Brunnenhaus der Therme förderten 3000 Tonförmchen von Falschmünzern zutage. Das jüngste zeigte ein Münzbild aus dem Jahr 246. Danach wurden Bad und Brunnenhaus offenbar nicht mehr benutzt und dienten als Abfallhalde. Auf dieser fanden sich unter diversen anderen Fundstücken auch Menschenknochen, einige davon sogar mit Hiebspuren!

Tonförmchen für die Herstellung von Falschmünzen. Foto: Augusta Raurica, Susanne Schenker

Menschliche Knochen aus dem Sodbrunnen. Foto: Augusta Raurica, Susanne Schenker

Die Geschichte wäre ein Fall für die polizeiliche Spurensicherung, aber die moderne Forensik kommt hier wohl einige Jahrhunderte zu spät. Kein Drama, denn vermutlich wurde der Fall schon damals «forensisch» untersucht. Der Begriff der kriminologischen Spurenauswertung leitet sich nämlich vom Forum her: dem Marktplatz, wo die Römer eben nicht nur Gemüse einkauften, sondern auch Gerichtsverhandlungen abhielten. «Audiatur et altera pars!», hiess es dann dort: Man höre auch die andere Seite! Sowie: «In dubio pro reo» – im Zweifel für den Angeklagten. Wobei spitze Zungen schon damals anfügten: «Ibi fas ubi proxima merces» – wo der Gewinn am grössten ist, da ist das Recht.

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