Königin Agnes von Ungarn in einer Chronik von habsburgischen Adligen mit einem Bezug zur Schweiz, um 1560.
Schweizerisches Nationalmuseum

Agnes von Ungarn

Können Frauen erben? An dieser Frage entzündete sich in der Familie der Habsburger ein Streit auf Leben und Tod. Als die Streithähne beide das Zeitliche segneten, erbte ausgerechnet eine Frau: Agnes von Ungarn.

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer ist Historiker und Autor.

Frauenrechte und ein Erbstreit: Das waren die Gründe, weshalb Johann von Schwaben seinen Onkel Albrecht von Habsburg ermordete. Johann fühlte sich um die Güter Lenzburg und Baden betrogen – das Erbe seiner Mutter, welches Onkel Albrecht verwaltet hatte, solange Johann ein Kind gewesen war. Nur: Seit Johann alt genug war, das Erbe anzutreten, behauptete Albrecht, Johanns Mutter habe die Güter gar nie besessen – weil Frauen gar nicht erben könnten. Sein Machismo kostete Albrecht das Leben. Doch weil man einen Albrecht von Habsburg nicht einfach so ungestraft zur Strecke bringt, lag auch Johann wenig später im Grab.

Dass Albrechts Besitz ausgerechnet an seine älteste Tochter Agnes ging, war eine Ironie der Geschichte. Diese war 1281 in Windisch geboren worden und heiratete im Alter von 15 Jahren in Wien König Andreas von Ungarn. Mit 20 war sie dessen Witwe. In Ungarn brachen Wirren um die Thronfolge aus, vor denen sich Agnes in Wien in Sicherheit brachte. Sieben Jahre vergingen und überraschenderweise ging Agnes keine zweite Ehe ein. Als ihr Vater Albrecht dann 1308 bei Brugg ermordet wurde, kehrte sie in den Aargau zurück und kümmerte sich um die Verwaltung des habsburgischen Stammlandes.

Kupferstich von circa 1600. Thema ist die Ermordung von König Albrecht in Königsfelden bei Brugg.
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Dorfplatz von Königsfelden. Druckgrafik aus dem 19. Jahrhundert.
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Am Ort des Verbrechens, auf den sogenannten Königsfeldern, liess sie ein kleineres Mönchs- und ein grösseres Nonnenkloster errichten. Agnes residierte bei den Nonnen, legte aber kein Gelübde ab. Vielmehr war sie damit beschäftigt, Klosterregeln zu definieren, Abgaben festzulegen und Macht und Einfluss ihres Klosters und ihrer Familie Stück für Stück auszuweiten. Nebenbei korrespondierte die kleine und eher unscheinbare Agnes mit Grafen, Königen und dem Papst, aber auch mit Intellektuellen wie Meister Eckhard, einem Mystiker und Philosophen, der ihr eines seiner Bücher widmete.

Als eine der mächtigsten Figuren auf dem Gebiet der heutigen Schweiz wurde Agnes wiederholt als Vermittlerin angerufen. Erfolgreich erwirkte sie 1333 und 1340 einen Landfrieden zwischen Bern und Freiburg; der Vermittlungsversuch von 1351 zwischen Zürich und den Waldstätten scheiterte jedoch.

Agnes war eine erfolgreiche Herrscherin – aber durch die Schweizer Geschichte spukte lange Zeit ein anderes Bild von ihr. Als hinterhältig, blutrünstig und brutal wurde sie beschrieben. Tausende habe sie ermorden lassen. Sogar Schiller erwähnte Agnes in seinem Wilhelm Tell als grausame Rächerin. Der Grund für die Verleumdung ist relativ einfach: Die starke Frau, eine Habsburgerin obendrein, war den Schreiberlingen einfach nicht geheuer.

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