
Aufstand im Frauenkloster
Dass Nonnen aufbegehren, heftigen Widerstand leisten und kirchliche Verordnungen ignorieren, irritiert aus heutiger Sicht. Während der Zeit der Reformbestrebungen im 15. Jahrhundert war dies jedoch nicht aussergewöhnlich.
Die gebildeten Nonnen im Kloster Klingental hatten eine Begabung dafür, wie sie ihr Vermögen vermehren und das Kloster wirtschaftlich erfolgreich führen konnten. Sie kauften städtische Mühlen und ergiebige Rebberge und trugen dazu bei, dass ihr Kloster zum reichsten der Stadt aufstieg.
Einige Nonnen besassen wohnlich ausgestattete Zellen und behagliche Stuben. Mindestens zwei Klostervorsteherinnen liessen sich eigene Häuser errichten, die sie bewohnten. Die Klingentalerinnen lebten also alles andere als ein bescheidenes und asketisches Nonnendasein. Nebst Büchern gehörten weltliche Kleidung, Textilien, Schmuck und Silbergeschirr zu ihrem Privatbesitz. Diese Frauen waren dem wohlhabenden und weltlichen Leben sehr zugetan und nahmen sich die Freiheit, das Kloster für Verwandtenbesuche oder Badeaufenthalte zu verlassen. Anstelle des einheitlichen Klostergewands, dem Habit, trugen sie oft ihre private Kleidung. Dass sie an der Fasnacht teilnahmen, Schosshündchen und Singvögel besassen sowie skandalös gegen die Ordensregel verstossen haben, entstammt wohl eher der Fantasie von eifrigen Kirchenmännern, waren doch solche Anschuldigungen willkommene Gründe, das Kloster einer Reform zu unterziehen.

Papst ordnete Untersuchung an

«Schamlose Weiber» zogen aus dem Kloster aus

Reformen
Im ausgehenden 14. Jahrhundert ergriff von Italien ausgehend eine Reformwelle die Klöster, allen voran die Dominikanerinnenklöster in deutschsprachigen Gebieten. Das Ziel der Reform war eine Rückkehr zum ursprünglichen Klosterideal, eine strengere Befolgung und Einhaltung der Ordensregel, ein Leben in Armut und Klausur. In Basel wurden seit 1420 die ersten Klöster den Reformen unterzogen. Die Reformbestrebungen führten vielerorts und oft auch innerhalb der Klöster zu zwei gespaltenen und zerstrittenen Parteien: die Reformgegner und die Reformbefürworter.
Rückkehr der Rebellinnen
Die Reformschwestern beklagten sich weiterhin über das Unrecht, das ihnen widerfahren war, reisten aber schliesslich zurück in ihr Heimatkloster Engelporten. Dort wurde ihnen die Wiederaufnahme hingegen verweigert. Wohl deshalb, weil sie als entsandte Reformnonnen nicht erfolgreich waren. Erst nach längerer Zeit im Exil fanden sie Aufnahme im reformierten Kloster Stetten im Gnadental. In Klingental kehrte hingegen das gewohnte, freiheitliche Leben in die Klostermauern zurück. Bis 1510 musste der städtische Rat die Klingentalerinnen in ihrem Lebenswandel wiederholt zurechtweisen. Nächtliche Ausflüge, Verwandten- und Stadtbesuche sowie Badeausflüge seien immer noch an der Tagesordnung gewesen.
Übrigens: Den Nonnen im Kloster Klingental ist es zu verdanken, dass Einzelheiten zu diesem zähen und emotionalen Reformstreit überliefert sind. Sie haben seit Anbeginn in ihrem Kloster ein Archiv angelegt, in welchem die Quellen zur Geschichte sorgsam aufbewahrt worden sind. Bis heute gehört es zu den umfassendsten mittelalterlichen Klosterarchiven der Schweiz.