Sendeturm auf dem Chasseral
Seit den 1940er-Jahren findet sich auf dem Chasseral eine Sendeanlage. Der Chasseral-Sendeturm, erbaut 1975-1979, prägt den Jura-Hügelzug und ist von weit her als Landmarke sichtbar. Museum für Kommunikation Bern

Antennen­wäl­der & Sendetürme

Sie sind von weitherum sichtbar und gehören mittlerweile zur Identität ganzer Regionen: Die Sendetürme. Ab den 1920er-Jahren wurden in der Schweiz Radiosignale über erste Sendeanlagen verbreitet. Ab den 1950er-Jahren kamen Antennen für das Ausstrahlen von Fernsehprogrammen dazu. Die Radio- und TV-Sendeanlagen, im speziellen ihre Sendetürme, sind in der Schweiz als Landmarken und Orientierungspunkte nicht mehr wegzudenken.

Juri Jaquemet

Juri Jaquemet

Dr. phil., Sammlungskurator für Informations- und Kommunikationstechnologie, Museum für Kommunikation, Bern

Radio Pionier­zeit

Noch bevor Radio als Informations- und Unterhaltungsmedium populär wurde, präsentierte sich die Funktechnik im bernischen Münchenbuchsee bereits als auffallende Infrastruktur in der Landschaft. Die ersten Antennenanlagen mit einer Höhe von fast 100 Metern markierten ab 1921-1922 die Präsenz der neuen Technik. Die Marconi Radio Station AG finanzierte in Münchenbuchsee eine kommerzielle Radiotelegrafie-Sendestation. Zeitgleich entstand unweit davon auf dem Riedernhubel bei Bümpliz die Empfangsstation. Über die Anlagen wurden internationale Telegramme, Depeschen und Börsen-News via Radiotelegrafie versendet und empfangen. Ein guter Kunde war anfangs der Völkerbund in Genf. 1924 gelangte die Eidgenossenschaft in den Besitz der Anlagen, 1928 erfolgte die Namenänderung in Radio Schweiz AG.
Antenne der Marconi Radio Station AG in Münchenbuchsee
Die zwischen den beiden markanten Türmen aufgehängte Antenne der Marconi Radio Station AG in Münchenbuchsee sendete Telegramme und Depeschen ins Ausland. Erstmals wurde die zivile Nutzung der Radiotechnik in der Landschaft sichtbar. Die mehrfach ausgebauten Sendeanlagen in Münchenbuchsee waren bis 1982 in Betrieb und vermittelten hauptsächlich internationale Fernschreibe- und Telexverbindungen. Aufnahme von ca. 1922. Museum für Kommunikation Bern
Bereits 1922 hatte sich der Bund per Gesetz als Konzessions- und Oberaufsichtsbehörde die Macht über das neue Medium gesichert. Im selben Jahr hatte Radio als Unterhaltungsmedium in der Schweiz Premiere. Vom Flugfunksender beim Champ de l’air in Lausanne aus, gelangte erstmals in der Schweiz Musik in den Äther. 1923 bewilligte der Bund dann erste Rundfunkversuche. 1923-1926 gingen in Lausanne, Zürich, Bern, Genf und Basel Radiostationen auf Sendung. Der erste Nur-Rundspruchsender der Schweiz stand oberhalb Höngg bei Zürich. Die Infrastruktur war bescheiden: ein Häuschen beherbergte die Sendetechnik und draussen stand eine etwa 15 Meter hohe Antennenanlage. Die kleinen Sendeanlagen der ersten Radiosender verschwanden bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wieder. Im Raum Bern wurde die Infrastruktur der Radio Schweiz AG weiterhin für die Radiotelegrafie genutzt. Erst 1982 stellte die Sendeanlage Münchenbuchsee den Betreib ein. Internationale Fernschreibe- und Telexverbindungen wurden nun über Kabel und Satellit vermittelt. Eine Art Ersatz für Münchenbuchsee war eine auffällige Infrastruktur im Wallis. Die PTT nahm 1974 die schweizerische Satelliten-Bodenstation Leuk Brentjong in Betrieb. Heute sollen ausländische Geheimdienste und deren Subunternehmen die Anlage nutzen. Mehr zur Radio-Pionierzeit

Von Landes­sen­der bis DAB+

Der Bund gründete 1931 die Schweizerische Rundspruchgesellschaft SRG. Sie war fortan für den Inhalt der Programme verantwortlich und produzierte die Sendungen in städtischen Studios. Die für das Produzieren der Sendungen benötigte Infrastruktur unterstand ab 1931 der Post-, Telegrafen- und Telefonverwaltung (PTT). Der Staatskonzern kümmerte sich um Beschaffung und Unterhalt der Studioeinrichtung sowie um die Sendeanlagen und die landesweite Signalübertragung. Über die 1931-1933 eingeweihten Landessender Beromünster, Sottens und Monte Ceneri versorgte die PTT über Mittelwelle fortan die drei Sprachregionen mit den SRG-Radioprogrammen. Die Senderstandorte waren so gewählt, dass die grossen Städte und möglichst weite Landesteile mit den ausgestrahlten Radiowellen erreicht werden konnten. Die Stahlfachwerktürme der Landessender entwickelten sich zu regionalen Landmarken und zu Zeugen der Schweizer Ingenieurskunst. Das markanteste Beispiel ist der 215 Meter hohe Blosenbergturm bei Beromünster von 1937-1939. Auf den Skalen der Radios waren die Sender jeweils schriftlich aufgeführt. Die Landessender wurden zum klingenden Namen. Das Stichwort «Beromünster» mag gegenwärtig noch viele ältere Menschen direkt in die Jugendjahre katapultieren. Der hölzerne Röhrenradio war Mittelpunkt der Stube und die Familie versammelte sich davor für gemeinsame Hörerlebnisse. Am Mittag um 12:30 verstummten die Gespräche am Mittagstisch. «Psssst – nach dem Piepston kommen die Nachrichten!».
Gesamtansicht des Landessender Beromünster
Gesamtansicht des Landessender Beromünster. Im Vordergrund das Sendegebäude von 1931 sowie die beiden ursprünglichen Türme für die Antennenanlage. Im Hintergrund der 1937 fertiggestellte Blosenbergturm. Museum für Kommunikation Bern
Ab den 1960er-Jahren verlor der Mittelwellenrundfunk zunehmend an Bedeutung. Radio empfing man nun über Ultrakurzwelle (UKW). Der Sender Beromünster wurde 2008 eingestellt, 2010 endete die Zeit des Landessenders Sottens. Die beiden ursprünglichen Sendetürme vom Sender Beromünster wurden 2011 gesprengt. Der Blosenbergturm – als weithin sichtbares Wahrzeichen in der Landschaft – sowie das Betriebsgebäude stehen heute unter Denkmalschutz. Auf dem St. Anton im Kanton Appenzell-Innerhoden nahm 1952 ein erster UKW-Sender den Versuchsbetrieb auf. Ein recycelter Mast der Landi-Seilbahn von 1939 trug die Versuchsantennen. Die für die Schweiz wohl geschichtsträchtigste UKW-Sendeanlage stand aber nicht auf Schweizer Boden. Mit einer starken UKW-Sendeanlage auf dem italienischen Pizzo Groppera versorgte Roger Schawinski und sein Team von Radio 24 ab 1979 den Grossraum Zürich mit einem ersten privaten Radioprogramm. Aus Sicht der Schweizer Behörden handelte es sich um einen «Piratensender», der das staatliche Monopol untergrub. Mehrmals erreichten sie die vorübergehende Schliessung des Senders auf fast 3000 Meter über Meer. Die wiederholten Schliessungen des Senders sorgten bei der Hörerschaft für eine Sympathiewelle. Eine Petition Ende 1979 sammelte innert wenigen Tagen über 200'000 Unterschriften für den Sender. 1983 war dann der Umzug nach Zürich möglich, seither sendet Radio 24 vom Uetliberg. Die Kult-Sendeanlage auf dem Pizzo Groppera steht übrigens noch heute. Allerdings nur als Ruine – ein Blitzschlag hat die Anlage 1984 zerstört. Mehr von Landessender bis DAB+

Radio-Spezial­diens­te

In erster Linie für die Auslandschweizer strahlte der Kurzwellendienst (später Schweizer Radio International) ab 1935 Spezialsendungen und Musik nach Übersee aus. Für die «Stimme der Heimat» wurde zuerst der Sender des Völkerbundes in Prangins genutzt. 1939 weihte die SRG den Kurzwellensender Schwarzenburg ein. Auch hier manifestierte sich die Technik im Gelände. Insbesondere die ab 1948 erstellte Vorhangantennenanlage hatte imposante Ausmasse. Der Hauptmast hatte eine Höhe von 120 Metern und war in drei Richtungen mit Seitenarmen verbunden, die bis zu 350 Meter lang waren. Die starke Leistung des Senders sorgte für spukhafte Phänomene in der Umgebung: An Dachrinnen und in Autochassis liessen sich manchmal Sendungen mithören, Neonröhren leuchteten von selbst und Zahnfüllungen schmerzten jeweils zur Sendezeit. Die Stilllegung des Kurzwellensenders erfolgte 1998, der Antennenwald wurde gefällt.
Der «fahrbare Landessender» in Melchsee-Frutt 1946
Der «fahrbare Landessender» war beim Réduitsender Melchsee-Frutt stationiert und war zudem als mobiles Backup für die Mittelwellensender im Mittelland vorgesehen. Aufnahme aus Melchsee-Frutt von 1946. Museum für Kommunikation Bern
Sendeanlagen gehörten zu den kritischen Infrastrukturen. Erstaunlicherweise waren die schweizerischen Anlagen baulich nicht gegen Sabotageakte oder Bombardierungen geschützt. Nachdem die Armee 1940 das Réduit bezogen hatte, richtete sie deshalb in den Alpen sogenannte Réduitsender als strategische Rückfallebene ein. In Melchsee-Frutt wurde ein erster Landessender-Ersatz eingerichtet. Als essenzieller Teil dieser Sendeanlage war der von der Firma Hasler AG aus Bern gebaute «fahrbaren Landessender» in einer Felskaverne am Melchsee stationiert. In sieben mobilen Anhängern waren ein Dieselaggregat, eine Sendeanlage sowie ein Radiostudio untergebracht. Ein zweiter Réduitsender mit ortsfester eingebunkerter Sendetechnik befand sich auf der Klewenalp südlich von Beckenried am Vierwaldstättersee. Eine Ersatz-Anlage für den Kurzwellensender Schwarzenburg kam in einem mit viel Beton verstärktem Chalet auf dem Hirzenboden südlich von Bürglen unter. Mehr zu den Radio-Spezialdiensten

TV-Sendetür­me

Nach einer Versuchsphase nahm die SRG 1958 den regulären Fernseh-Sendebetrieb in der Deutsch- und Westschweiz auf. In den 1960er-Jahren löste Fernsehen Radio als Leitmedium ab. Empfang garantierte wiederum die PTT. Die für die terrestrische Übertragung der Fernsehprogramme genutzten Wellenlängen hatten den Nachteil, dass sie sich hauptsächlich gradlinig ausbreiten. Der ideale Standort für Sendeanlagen musste demnach das zu bedienende Gelände dominieren und gute Sichtbeziehungen zum Sendegebiet garantieren. TV-Sendetürme besetzten darum ab den 1950er-Jahren nun Hausberge in der Nähe grösserer Bevölkerungsagglomerationen. Mont Gibloux, Chasseral, Bantiger, St. Chrischona, Uetliberg und Säntis: Die von weithin sichtbaren künstlichen Bergspitzen wurden zu Landmarken und Orientierungspunkten – zu technischen Ikonen in der Landschaft.
Sendeturm auf dem Säntis
Das neue Sendezentrum auf dem Säntis wurde 1975 in Betrieb genommen. Zu dieser Zeit war es das grösste Bauwerk dieser Art in Europa. Museum für Kommunikation Bern
Mit dem Ende der terrestrischen Ausstrahlung des TV-Programms haben die Sendetürme ihre ursprüngliche Hauptfunktion verloren. Für die Verbreitung von Radiosignalen und als Datentransfer-Hub via Richtstrahltechnologie bleiben die Anlagen aber wichtig. Spannend ist abzuwarten, inwiefern die Sendetürme und Richtstrahlanlagen bald als Baudenkmäler wahrgenommen werden. Ein Rückbau der markanten Sendeanlagen würde viele Anwohner wohl zumindest irritieren. Auch wenn für ein Baudenkmal in erster Linie die eigentliche architektonische Qualität des Baus zählt, die Skylines von Mont Pèlerin, Bantiger, Chasseral, Säntis, Uetliberg & Co. wären ohne Turm kaum wiederzuerkennen. Mehr zu den TV-Sendetürmen
Antenne der Marconi Radio Station AG in Münchenbuchsee
Gesamtansicht des Landessender Beromünster
Der «fahrbare Landessender» in Melchsee-Frutt 1946
Sendeturm auf dem Säntis

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