Rechts im Bild: Portrait von Pesmes de Saint-Saphorin, gemalt von Johann Rudolf Huber, um 1707.
Rechts im ovalen Rahmen: Porträt von Pesmes de Saint-Saphorin, um 1707. Illustration: Marco Heer

Fluss-Admiral, Diplomat und «calvinis­ti­scher Geniesser»

Wie es der Waadtländer Adlige François-Louis de Pesmes de Saint-Saphorin (1668–1737) vom Süsswasseradmiral zum Stardiplomat in kaiserlichen Diensten schaffte.

Jean-Jacques Langendorf

Jean-Jacques Langendorf

Studienleiter des Institut de stratégie comparée in Paris.

Die Waadtländer sind ein seltsames Völkchen. Sie ehren das Andenken an einen Aufklärer, Putschisten und Major, dessen Vorhaben kläglich scheiterte: Major Davel. Sie errichten ihm ein Denkmal, benennen Strassen, Schiffe und «Pintes» nach ihm, während Pesmes de Saint-Saphorin, ein Waadtländer, der die Schweiz in ganz Europa berühmt gemacht hat, unerwähnt bleibt und in Vergessenheit geraten ist. Die grosse Laufbahn von Pesmes de Saint-Saphorin, dieses Calvinisten, der zwar arm, aber von altem Adel war, beginnt an einem Wintertag des Jahres 1692 in einer Herberge in Kassel. Dort lernt er zufällig einen Niederländer kennen: Ludwig van Assemburg, Vizeadmiral der Donauflotte im Dienste Österreichs. Dieser stellt den Kontakt mit dem Marquis de Fleury her, einem Savoyer, «Kammerherr Seiner kaiserlichen Majestät, Generaloffizier im Rang eines Admirals»: Er ist ein Abenteurer mit Ziel, «Piraten, Ketzer und die Feinde der Krone zu jagen.» De Fleury stammt aus dem Mittelmeerraum und hat gerade das Kommando über die Donauflotte übernommen. Obwohl Saint-Saphorin über keinerlei nautisches Wissen verfügt, wird er zum Kommandanten des Admiralsschiffes ernannt. Der Feldzug gegen die Türken auf dem Fluss scheitert und Fleury stirbt kurze Zeit später. Im Kampf um dessen Nachfolge wird Saint-Saphorin zum Opfer von Intrigen – einerseits aufgrund seines Calvinismus, andererseits, weil seine Mannschaft nur aus protestantischen Niederländern besteht. So wird Ludwig van Assemburg Fleurys Nachfolger. Dieser Mann ist ein träger Alkoholiker, «der nicht einmal das Bier wert ist, das er trinkt». So ist auch der Feldzug von 1696 zum Scheitern verurteilt. Saint-Saphorin muss seine auf der Theiss eingesetzten Schiffe verbrennen, damit sie nicht den Türken in die Hände fallen. Aus dem offenen Streit, den sich Assemburg mit dem Waadtländer liefert, trägt Saint-Saphorin schliesslich den Sieg davon. Admiral Assemburg wird der Veruntreuung angeklagt, entehrt und zur Verbannung verurteilt.
Schlacht bei Zenta errangen kaiserliche Truppen unter dem Oberbefehl von Prinz Eugen von Savoyen bei Zenta an der Theiss. Jacques-Ignace Parrocel, um 1711
In der Schlacht bei Zenta errangen kaiserliche Truppen unter dem Oberbefehl von Prinz Eugen von Savoyen bei Zenta an der Theiss am 11. September 1697 einen bedeutenden Sieg über die Osmanen. Gemälde von Jacques-Ignace Parrocel, um 1711. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
Ab 1697 ist das Glück Saint-Saphorin hold. Er wird zum Flottenkommandanten mit voller Ermächtigung ernannt und lernt überdies Prinz Eugen von Savoyen kennen. Dieser begreift bald, dass es sich bei Saint-Saphorin nicht um einen mittelmässigen Seemann handelt, sondern dass er sich sogar hervorragend als Gesandter der reformierten Orte der Schweiz eignen würde. Nach dem Sieg über die Türken an der Theissmündung geht der Waadtländer nach Wien, wo er sich den Wonnen des Geniessertums widmet. Er konsumiert Unmengen von Wein, Bier und Absinth sowie die raffiniertesten Speisen. Man kann sagen, dass er eine neue Art von Mensch verkörperte: den «geniesserischen Calvinisten». Als besessener Leser sammelt er auch Bücher. Er verschlingt alles, was ihm in die Finger gerät: Physik, Mathematik, Geschichte, Gärtnerei und Theologie (er bevorzugt die Werke von Calvin).
Prinz Eugen von Savoyen, gemalt von Jacob van Schuppen, 1718.
Prinz Eugen von Savoyen, gemalt von Jacob van Schuppen, 1718. Rijksmuseum Amsterdam
Ab 1700 beginnt Saint-Saphorins grosse internationale Laufbahn. Der Fürst zu Salm, erster Geheimer Rat des Kaisers, holt seine Meinung zu heiklen diplomatischen Fragen ein. Er verfasst zahlreiche Schriften über die hohe Diplomatie. Er wird zum Generalmajor befördert und in die Schweiz geschickt, um dort zwei Regimenter auszuheben. Wenig später wird er zum kaiserlichen Agenten in Bern ernannt, wo er die kaiserlichen Interessen mit Elan verteidigt, während er gleichzeitig als Gesandter der reformierten Orte am Wiener Hof tätig ist. Sein grosses diplomatisches Talent setzt er ein, um den Bourbonen zu schaden und die Habsburger zu stärken und gleichzeitig die Schweiz in den Einflussbereich des Kaiserreichs zu ziehen. Bald beauftragen ihn der König von Preussen sowie die Herzöge von Savoyen und Württemberg, ihre Interessen zu vertreten. Schliesslich wird er zum Resident des Königs von England am Wiener Hof ernannt. Er stirbt in seinem Geburtsschloss Saint-Saphorin im Waadtland. Als Ludwig XIV. von dessen Tod erfährt, ehrt er ihn unfreiwillig, indem er verlauten lässt, Saint-Saphorin sei der gefährlichste Feind gewesen, den Frankreich in der Schweiz gehabt habe.
Schloss Saint-Saphorin im Ort Saint-Saphorin-sur-Morges.
Schloss Saint-Saphorin im Ort Saint-Saphorin-sur-Morges. Wikimedia

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