
Farbige Belle-Epoque
Farbige Bilder für jedermann – das war die Idee des Photochrom-Verfahrens, das Ende des 19. Jahrhunderts in Zürich erfunden wurde – und in kurzer Zeit die Welt erobert hat.


Fokus auf Touristen
Die soziale Realität der Belle-Epoque mit Kriegen, Massenarmut und Elend wurde in den Photochrom-Drucken bewusst ausgeblendet. Stattdessen bilden sie ein Wunschbild ab und zeigen damit das Psychogramm einer Epoche. Angeboten wurden die Photochrom-Drucke um die Jahrhundertwende in unterschiedlichen Grössen. Trotzdem sind die Bilder kulturhistorisch wertvoll: Wir sehen etwa eine Gruppe von Alpinisten bei einer Gletscherüberquerung – mit der einfachen Ausrüstung, die damals verfügbar war. Zahlreiche Ansichten von Gebäuden geben einen Einblick in die Architektur dieser Zeit: Das gilt für den Gasthof auf dem Uetliberg genauso wie für die legendäre Mulberry-Street im New Yorker Stadtteil Manhattan, auch Little Italy genannt. Interessant ist auch ein Motiv aus Belgien, das zwei Hunde abbildet, die einen Milchwagen ziehen. Hunde waren tatsächlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch an vielen Orten als Zugtiere im Einsatz, so auch in der Schweiz.


Touristische Ansichten von Städten wie Zürich oder Jerusalem waren in der Belle Epoque sehr populär. Zentralbibliothek Zürich
Schwarzweiss als Grundlage
Das Photochrom-Verfahren fand auch in den USA Anklang, wo Photoglob 1898 die Detroit die Photographic Company gründete. Die verwendeten Farben entsprangen der Vorstellungskraft der Drucker – in vielen Fällen wie etwa den populären Ansichten von Venedig griffen sie auf bestehende Publikationen zurück.


Fehler und Manipulationen
Wie kamen die Drucker zu den Informationen über die Farben? Sie orientierten sich an einschlägigen Quellen. Die Ansichten von Städten wie Venedig waren zu jener Zeit genügend dokumentiert, so dass sich die Gestalter darauf verlassen konnten. In anderen Fällen verliessen sie sich auf ihre Fantasie. Das ist gelegentlich ermüdend, da sich die Farbgebung immer in den gleichen Stereotypen bewegt.
Der Boom der bunten Photochrom-Bilder fand mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein jähes Ende. Die Zürcher Photoglob verlagerte ihre Geschäftstätigkeit auf den Verkauf von Postkarten und bald standen bessere Methoden für den Farbdruck zur Verfügung.