
Rechter Kulturschaffender
Wie der Genfer Autor und Schauspieler Georges Oltramare (1896–1960) immer mehr in die rechte politische Ecke rutschte und von dort aus Stimmung machte.
Der Autor von Unterhaltungsromanen und Theaterstücken ist in den späten 1920er-Jahren in einigen Filmrollen zu sehen, bevor er Anfang der 1930er-Jahre die politische Arena betritt. 1933 wird er in den Genfer Grossrat gewählt. Im selben Jahr gründet er die faschistische Partei «L’Union nationale» und knüpft Beziehungen mit den Anführern verschiedener faschistischer Bewegungen jener Zeit, beispielsweise mit Léon Degrelle in Belgien oder dem Kroaten Ante Pavelić. 1937 wird Oltramare von Mussolini empfangen und schliesst sich 1938 schliesslich der Nazibewegung an.
L'escalier de service, Theaterstück von Georges Oltramare, 1929. YouTube
Unter dem Pseudonym Charles Dieudonné verfasst Oltramare bissige Artikel und überlässt die Zeitungsspalten auch häufig seinen Freunden, Anhängern der herrschenden «neuen Ordnung» der Deutschen, darunter sein Landsmann, der Arzt und Rassenideologe George Montadon. Im Juli 1941 verlässt er La France au Travail, um für Radio Paris, das bekannterweise von der BBC mit dem Refrain «Radio Paris ment, Radio Paris ment, Radio Paris est allemand» (Radio Paris lügt, Radio Paris lügt, Radio Paris ist deutsch) verspottet wurde, zu arbeiten. Dort moderiert er politische Sendungen, etwa «Un neutre vous parle» (Hier spricht ein Neutraler), in denen er wenig überraschend die Kommunisten, die Gaullisten und Freimaurer angreift, und andere antisemitische Formate wie «Les Juifs contre la France» (Die Juden gegen Frankreich), wo unter anderem der Schauspieler Robert Le Vigan, mit dem er seit den 1930er-Jahren befreundet ist, zu hören ist.

Verurteilung in der Schweiz
Im Sommer 1944 setzt er sich auf Ersuchen seines Landsmannes Conrad Moricand für den Künstler Max Jacob ein, den man verhaftet hat. Oltramares Bemühungen sind allerdings vergeblich, denn Jacob stirbt im Sammellager Drancy. Wie zahlreiche andere «Gefährdete» verlässt Georges Oltramare im August 1944 Frankreich und flieht nach Sigmaringen, wo er auf seine Freunde Céline und Le Vigan trifft, die ebenfalls auf der Flucht sind. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs wird er von amerikanischen Soldaten verhaftet und am 21. April 1945 in die Schweiz abgeschoben. Dort wird er wegen «Angriffen auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft», «Verbrechen gegen den Staat» und «Besoldete Tätigkeit für die deutsche Regierung» angeklagt. Bis zum 19. Oktober 1947 sitzt er in Haft, dann wird er vorläufig freigelassen, während er auf seinen Prozess wartet. Um dem drohenden Urteil zu entgehen, beschliesst Oltramare, sich unter falschem Namen im Berner Oberland zu verstecken. Er wird aber von der Schweizer Justiz schnell wieder gefasst und wandert am 14. November 1947 erneut hinter Gitter.

Serie: 50 Schweizer Persönlichkeiten
Die Geschichte einer Region oder eines Landes ist die Geschichte der Menschen, die dort leben oder lebten. Diese Serie stellt 50 Persönlichkeiten vor, die den Lauf der Schweizer Geschichte geprägt haben. Einige sind besser bekannt, einige beinahe vergessen. Die Erzählungen stammen aus dem Buch «Quel est le salaud qui m’a poussé? Cent figures de l’histoire Suisse», herausgegeben 2016 von Frédéric Rossi und Christophe Vuilleumier im Verlag inFolio.