
Zwischen Kunst und Wahnsinn
Auf der Flucht vor seiner konservativen Familie suchte Friedrich Wilhelm Wagner Freiheiten. Diese Suche führte den Dichter auch nach Zürich und in die Kreise des Dadaismus.
Abend
Der Tag verklang
In einem rosenen Ton.
Das Wasser sang sich müde.
Es dämmert schon.
Im tiefen Park erwacht
Leis ein Grauen.
Fröstelnd vor der Nacht
Stehn steinerne Frauen.
Diese Zeilen schrieb im Jahr 1920 der deutsche Dichter Friedrich Wilhelm Wagner (1892-1931), der eine Zeit lang in Zürich literarisch aktiv war. Es ist eines seiner letzten Werke, erschienen im Gedichtband «Jungfrauen platzen männertoll».
Es ist sicher nicht die Art von Kunst und Literatur, die seinem Vater gefallen hat. Dieser war Lehrer und ein Anhänger der vergangenen Kaiserzeit. Aufgewachsenen in einem patriarchischen Umfeld, sah sich der junge Friedrich Wilhelm konstant ausgebremst durch den elterlichen Druck: Es galt, aus sich etwas Rechtes zu machen. Tatsächlich begann er ein Studium in Nationalökonomie und Philosophie in München, das er jedoch nur halbherzig betrieb. Mit mehr Eifer schrieb er Gedichte, die Wagner an verschiedene Zeitungen verkaufte, aber auch in einem ersten Gedichtband publizierte.

Der Ruf der weltoffenen Szene der Bohemiens wurde auch vom damals 22 Jahre jungen Friedrich Wilhelm Wagner gehört. Im Juni 1914 kam er nach Zürich und schloss sich der expressionistischen Künstlerszene an, aus der später die Dadaisten entstehen sollten. Wagner schrieb, meist im Café Astoria, wie ein «Besessener», wie ihn ein Bekannter beschrieb. Seine Drogensucht hatte er aus Paris nach Zürich mitgenommen.

1918 wurde Friedrich Wilhelm als «chronischer Morphinist» für geisteskrank erklärt und bis März 1919 in die Heilanstalt Eglfing bei München eingewiesen. Es war nicht sein letzter Aufenthalt in einer Klinik. Nach zwei weiteren Jahren des unruhigen Umherwanderns und diversen literarischen Werken, von denen «Irrenhaus» auch einem breiteren Publikum bekannt wurde, und welches seine Erfahrungen, aber auch seine Fantasien in der Klinik widerspiegelte, kam Friedrich Wilhelm Wagner wiederum auf väterlichen Druck nach Hause. Dass aus seinem Sohn ein Akademiker werden würde, diesen Gedanken hatte Heinrich Wagner bereits begraben.

…Allen Dingen wieder
Lächelnd, gut gesinnt,
Schweif ich durch mein Leben,
Träumer, Held und Kind…
Friedrich Wilhelm Wagner arbeitete bis zu seinem frühen Tod 1931 als Bankbeamter. Er publizierte aber, wie versprochen, nie mehr ein gedichtetes Wort.