
Von Borneo nach Bundesbern
Alois Wyrsch aus Stans war 1860 der erste Parlamentarier mit nicht weisser Hautfarbe. Ein Nidwaldner «of color»? Wyrsch hatte eine Mutter aus Borneo, wo sein Vater als Söldner gedient hatte.
Zuerst im Jahre 1856: Damals wählen die Soldaten des Bataillons 74 einen neuen Kommandanten. Sie erküren Alois Wyrsch, den 31-jährigen Rechtsanwalt und Mühlenbetreiber, Sohn von Louis Wyrsch (1793–1858), des ehemaligen Bataillonskommandanten, Gemeindepräsidenten und Landammann. Man könnte die Wahl als gewöhnliche Entwicklung abhaken, bei der die ländliche Elite die nächste Generation auf einem wichtigen Posten installiert. Und doch ist es viel mehr: Alois Wyrsch war eine «Person of Color», wie man heute sagt.

Wie auch immer. Als Sohn Alois acht Jahre alt ist, kehrt er mit Vater Louis und Schwester Constantia nach Nidwalden zurück; die Mutter sei gestorben. Louis war verwundet worden und hatte einen Ritterorden des niederländischen Königs sowie eine jährliche Pension von 1000 Gulden in Aussicht (heutiger Geldwert: 170'000 Franken).


Die Muttersprache ist verboten
Auf die Volksschule folgen das Gymnasium in Engelberg und das Knabenseminar in Kreuzlingen. Damit Alois kein verwöhnter Offizier aus gutem Haus wird, wie das in der ländlichen Elite üblich war, schickt ihn der Vater nicht an die Universität oder in die Offiziersschule. Denn er will einen praktisch gebildeten Sohn. So bringt er ihm in der zwischenzeitlich gekauften Aumühle in Buochs das Handwerk des Getreide- und Ölmüllers bei.

Tatsächlich reist Alois nach Deutschland und dann in die Niederlande. Das «Nidwaldner Volksblatt» dramatisiert später diesen Moment: «Hier, wie er in banger Unentschiedenheit am Meeresufer stund, zog ein stürmisches Sehnen nach dem fernen Heimathlande seiner Mutter durch seine zwanzigjährige Brust. Aber drohend spritzte die salzige Fluth den Gischt ihm in’s Gesicht.» Alois kann sich nicht zu einer Überfahrt entschliessen. Neun Monate nach seiner Abreise steht er wieder zuhause auf der Matte – gerade rechtzeitig, um 1847 im Sonderbundskrieg unter dem Kommando seines Vaters mit den Nidwaldner Truppen zu kämpfen. Das stellt eine wichtige Erfahrung für den jungen Mann dar, der zunächst die Aumühle in Buochs und dann ab 1850 die Mühle in Alpnach leitet.

Wyrsch ist wirtschaftlich und politisch sehr erfolgreich. Ab 1865 gibt er die Leitung der Mühle weiter, damit er sich ganz auf die Politik konzentrieren kann. An seinem Wohnort Buochs wird er in den Gemeinderat gewählt: Er politisiert damit gleichzeitig auf eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Ebene.
Befürworter der revidierten Bundesverfassung
1872 setzt sich Louis Wyrsch mit Überzeugung für die neu revidierte Bundesverfassung ein. Doch in Nidwalden hat er damit einen schweren Stand: 1700 Personen stellen sich gegen ihn, nur gerade 80 folgen seiner Meinung. So muss Wyrsch in der Folge eine schwere, persönliche Niederlage einstecken. Das Volk wählt ihn als Nationalrat ab: Er bekommt nur 581, sein Gegner dagegen 1490 Stimmen.

Ein heutiges Fazit muss einen weiteren Aspekt hervorheben: Als erster nicht-weisser Politiker in Nidwalden und im Bundeshaus war er erfolgreich, nicht weil er die Diversität vertrat, sondern obwohl er die Diversität verkörperte.