Der Eidgenosse hat am Spieltisch mit den Mächtigen die besten Karten. Holzschnitt von Hans Rüegger, 1514 (Ausschnitt).
Der Eidgenosse hat am Spieltisch gegenüber den mächtigen Herrschern Europas die besten Karten. Holzschnitt von Hans Rüegger, 1514 (Ausschnitt). Zentrabibliothek Zürich

Höhepunkt eidgenös­si­scher Macht: Die Schlacht von Novara

Die Schlacht von Novara vom 6. Juni 1513 ist der letzte grosse militärische Sieg der Alten Eidgenossenschaft und markiert den Höhepunkt von deren Macht in Mitteleuropa.

James Blake Wiener

James Blake Wiener

James Blake Wiener ist Historiker, Mitbegründer der World History Encyclopedia, Autor und PR-Spezialist, der in Europa und Nordamerika als Dozent tätig ist.

Webseite: worldhistory.org
1513 war ein «Jahr der Wunder» für die Alte Eidgenossenschaft, geprägt von Siegen über die Franzosen in der Schlacht von Novara und der Belagerung von Dijon. Diese militärischen Erfolge bilden den Höhepunkt der internationalen Macht und des militärischen Prestiges der Eidgenossen. Als Mitglieder der «Heiligen Liga» und Verbündete Österreichs, Englands, des Papsttums, Venedigs und Spaniens spielten sie eine entscheidende Rolle bei der vorübergehenden Vertreibung der Franzosen aus Italien. Die Schlacht von Novara war der letzte grosse militärische Sieg der Eidgenossen.

Aufstieg und Fall der franzö­sisch-schwei­ze­ri­schen Beziehungen

Nach den Siegen der Eidgenossenschaft über Burgund während der Burgunderkriege (1474-1477) und über Österreich während des Schwabenkriegs von 1499 begannen die europäischen Grossmächte im grossen Stil Schweizer Söldner zu rekrutieren. Die Anheuerung von Schweizer Kämpfern begann aber noch früher in Frankreich, der ersten Macht, die 1444 den aufstrebenden Alpenstaat anerkannte. Um die Wende zum 15. Jahrhundert setzten die Franzosen in ihren frühen Feldzügen gegen Mailand und Neapel während der Italienkriege (1494-1559) immer mehr Schweizer Söldner als Infanteristen ein. Vor allem Mailand war bei den Franzosen begehrt. Um 1500 zählte das Herzogtum Mailand zu den reichsten Regionen Europas. Die Stadt Mailand war eine bedeutende Wirtschaftsmetropole mit über 100’000 Einwohnern und Zentrum eines glänzenden Hofes. Trotz ihres Reichtums war die Sforza-Dynastie aber schwach, und sie war nicht in der Lage, politische Spaltungen innerhalb ihres Herzogtums zu lösen. Ludwig XII. von Frankreich ergriff als Enkel der Mailänder Prinzessin Valentina Visconti die Gelegenheit, den herzoglichen Thron an sich zu reissen. Damit leitete er eine neue Phase der Italienkriege ein und eroberte Mailand mit Hilfe von Schweizer Söldnern zwischen 1499 und 1500 relativ leicht. Der Schweizer Söldnerdienst erwies sich als so vorteilhaft, dass Frankreich und die Eidgenossenschaft 1499 einen zehnjährigen Bündnisvertrag unterzeichneten. Louis XII versprach ausserdem jährliche Zahlungen von 20’000 Gulden als Gegenleistung für das Recht, Söldner innerhalb der Eidgenossenschaft zu rekrutieren.
Schweizer Freiwillige erstürmen auf der Seite des französischen Königs das genuesische Lager, 1507.
Schweizer Freiwillige erstürmen auf der Seite des französischen Königs das genuesische Lager, 1507. Luzerner Schilling, S 23 fol., p. 464
Man schätzt, dass um 1510 rund 20 Prozent aller Schweizer Männer als Söldner in der französischen Armee dienten. Diese Zahlen sind beeindruckend, täuschen aber über eine deutliche und rasch voranschreitende Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Eidgenossenschaft und Frankreich zu Beginn des 16. Jahrhunderts hinweg. Vereinfacht gesagt, hatten die Franzosen grosse Schwierigkeiten, ihre Schweizer Söldner zu kontrollieren und zu disziplinieren. Die Schweizer Hauptmänner trafen ihre Entscheidungen erst nach langen Diskussionen und nachdem ein gemeinsamer Konsens unter den Kämpfern gefunden war. Dies verärgerte die aristokratischen französischen Generäle, die eine ganz andere Vorstellung davon hatten, wie Truppen geführt und organisiert werden sollten. Über die mangelnde Loyalität und den Zynismus der Schweizer Söldner ist viel geschrieben worden, aber die Realität war viel differenzierter. In Wahrheit wechselten die Schweizer Söldner nur selten die Seiten oder verweigerten den Kampf, um ihren Sold zu erhöhen. Vielmehr kam es zu Streitigkeiten über Verträge und Kriegsführung. Das eigentliche Problem war jedoch, dass Ludwig XII. und seine Financiers die Schweizer nicht wie versprochen bezahlen konnten oder wollten. Ludwig XII. heuerte häufig mehr Soldaten an, als er bezahlen konnte. Als die Franzosen es leid waren, die hohen Löhne der Schweizer Söldner zu zahlen, begannen sie, Schweizer Politiker zu bestechen, um einen fortwährenden Nachschub an Söldnern in französischen Diensten sicherzustellen. Viele Schweizer Patrizier und Kirchenvertreter in Zürich, Basel und Luzern standen den französischen Rekrutierern und ihren Bestechungsgeldern zunehmend kritisch gegenüber. Im Jahr 1507 zog die Eidgenossenschaft formell alle Truppen aus dem französischen Dienst ab, um gegen die verspäteten Zahlungen zu protestieren, während die antifranzösische Stimmung zunahm. 1509 lehnte die Tagsatzung eine Erneuerung des Bündnisses ab. Zu allem Überfluss begann Ludwig XII. ab 1511, die Landsknechte in Massen anzuwerben.
Läufer aus Bern und Zürich überbringen den Vertretern der drei Urkantone versiegelte Botschaften, in denen von Soldverträgen abgeraten wird. Im Hintergrund weisen zerlumpte und invalide Söldner auf die Folgen der Reisläuferei hin.
Läufer aus Bern und Zürich überbringen den Vertretern der drei Urkantone versiegelte Botschaften, in denen von Soldverträgen abgeraten wird. Im Hintergrund weisen zerlumpte und invalide Söldner auf die Folgen der Reisläuferei hin. Luzerner Schilling, S 23 fol., p. 565
Die Schweizer und die Franzosen stritten sich auch über territoriale Ambitionen in Norditalien. Mehr als ein Jahrhundert lang hatten sich die Eidgenossen in regelmässigen Abständen blutige Auseinandersetzungen mit dem Herzogtum Mailand um die Kontrolle über strategische Alpenpässe geliefert. Bis 1440 gelang es den Schweizern, die Alpen zu erobern, doch sie strebten nach einer noch grösseren Beute: Die fruchtbaren Gebiete um den Luganer-, den Comersee und den Lago Maggiore sowie die befestigte Stadt Bellinzona. Die Eidgenossen nahmen Bellinzona 1500 ein, während die Franzosen nach dem Sturz der Sforza-Dynastie ihre Herrschaft über die Lombardei festigten. Der Vertrag von Arona, der 1503 zwischen Frankreich und der Eidgenossenschaft unterzeichnet wurde, überliess letzteren die Kontrolle über die Leventina, das Bleniotal und Bellinzona, sehr zum Leidwesen Ludwigs XII. Die Franzosen ihrerseits wollten aber ihre eigene politische und militärische Macht über die Alpenpässe ausüben, um eine österreichische Einmischung in Italien zu verhindern. Dies verunsicherte vor allem die Waldstätter Kantone, die befürchteten, dass die Konsolidierung der französischen Macht in Mailand nicht nur die neu gewonnenen eidgenössischen Gebiete im Tessin, sondern die gesamte Zentralschweiz bedrohen würde. Das Misstrauen auf beiden Seiten wuchs, vor allem als die Franzosen versuchten, ihre Kontrolle über andere Teile Norditaliens auszubauen.

Es ist wahr, dass sie wahre Soldaten sind und das Rückgrat einer Armee bilden, aber man darf nie zu wenig Geld haben, wenn man sie haben will, und sie werden niemals Verspre­chun­gen anstelle von Geld annehmen.

Blaise de Lasseran-Massencôme (ca. 1502-1577), Seigneur de Montluc und Marschall von Frankreich
Schweizer Söldner beim Überqueren der Alpen
Schweizer Söldner beim Überqueren der Alpen Luzerner Schilling, S 23 fol., p. 661

Eine eidgenös­sisch-päpstli­che Allianz

Als sich die französisch-schweizerischen Beziehungen zu verschlechtern begannen, unternahmen die Eidgenossen neben Österreich und Spanien auch geschickte diplomatische Annäherungsversuche an den Vatikan. Rom war sehr empfänglich für die Bemühungen und Absichten der Eidgenossen; 1506 stellte der kriegerische Papst Julius II. als Geste der Unterstützung und des guten Willens die ersten 150 Schweizer Gardisten ein. Julius II. ärgerte sich über die französische Macht und den französischen Einfluss in Italien; er war zudem bestrebt, das Papsttum um Parma und Piacenza zu erweitern, die damals zum französisch beherrschten Mailand gehörten. Die Beziehungen zwischen der Eidgenossenschaft und dem Papsttum wurden durch die konzentrierten und kalkulierten Bemühungen von Kardinal Matthäus Schiner, Bischof von Sitten, der am 14. März 1510 half, ein offizielles Bündnis auszuhandeln, noch enger. Dieses eidgenössisch-päpstliche Bündnis enthielt eine Sonderklausel, die es dem Vatikan erlaubte, 6000 Schweizer Söldner anzuheuern, die die päpstlichen Interessen in der Emilia-Romagna schützen und den Papst bei der Vertreibung der Franzosen aus Italien unterstützen sollten. Im Oktober 1511 rief Julius II. eine «Heilige Liga» gegen Frankreich aus. Die Schweizer schlossen sich eifrig einem spanisch-österreichisch-englisch-päpstlich-venezianischen Bündnis an, das die Italienischen Kriege sofort zu einem grossen europäischen Konflikt ausweitete. Nach zwei ergebnislosen Feldzügen zwischen 1510 und 1511 waren die Schweizer Soldaten fest entschlossen, die Franzosen hart zu treffen. Im Mai 1512 versammelten sich 24’000 Männer in Chur zu dem, was später als «Pavia-Expedition» bekannt wurde. Unter der Führung des erfahrenen Veteranen Ulrich von Hohensax (ca. 1462-1538) – entgegen der Tradition als «Oberbefehlshaber» bezeichnet – strömten die Schweizer Truppen nach Italien, wo sich ihnen eine Stadt nach der anderen ergab. Die Franzosen, die nach ihrem Sieg über die Spanier in der Schlacht von Ravenna im Monat zuvor erschöpft waren, hatten zu wenig Männer und wurden völlig überrascht. Sie waren nicht in der Lage, solide Verteidigungspositionen einzunehmen und ihre Kräfte zu konsolidieren, um die Schweizer herauszufordern. Die Eidgenossen unterwarfen die Lombardei und vertrieben die Franzosen in nur sechs Wochen aus Italien.
Rekonstruierte Galauniform des Söldnerführers Ulrich Freiherr von Hohensax
Rekonstruierte Galauniform des Söldnerführers Ulrich Freiherr von Hohensax mit typischer Schamkapsel und Hut aus Straussenfedern. Vorlage war die Wappenscheibe rechts, bzw. unten. Schweizerisches Nationalmuseum
Wappenscheibe des Söldnerführers Ulrich Freiherr von Hohensax aus dem Rathaus Lachen, 1507.
Wappenscheibe des Söldnerführers Ulrich Freiherr von Hohensax aus dem Rathaus Lachen, 1507. Schweizerisches Nationalmuseum
Erinnerungsblatt an die Geschenke Papst Julius II. an die Eidgenossen
Zum Dank für ihre Unterstützung im Pavia-Feldzug schenkte Papst Julius den Eidgenossen wertvolle Banner aus Seide, sogenannte «Juliusbanner». Erinnerungsblatt in der Stumpf-Chronik von 1534. Zentralbibliothek Zürich
Juliusbanner von Zürich, 1512.
Juliusbanner von Zürich, 1512. Schweizerisches Nationalmuseum
Der rasche Zusammenbruch der französischen Macht kam für Europa überraschend. Die Heilige Liga hatte gesiegt, aber sie hatte nicht geplant, was mit den zuvor von den Franzosen besetzten Gebieten geschehen sollte. Eine Lösung für Mailand zu finden, war ein kompliziertes Unterfangen. Die Schweizer und Mailänder Patrizier spielten mit dem Gedanken, Mailand als dreizehnten Kanton in die Eidgenossenschaft aufzunehmen, was sich jedoch als unpraktisch erwies, da Mailand zwanzigmal mehr Einwohner hatte als Bern und Zürich. Schliesslich wurde beschlossen, dass Maximilian Sforza, der älteste Sohn des früheren Herzogs Ludovico Sforza, als Marionette regieren sollte. Für seine Unterstützung musste Sforza der Eidgenossenschaft 40’000 Dukaten pro Jahr bezahlen, ihr die Mautgebühren erlassen sowie ihr die Orte Domodossola, Lugano und Locarno übergeben. Verärgert über seine Verluste schwor Ludwig XII., Mailand zurückzuerobern. Der französische König versuchte, einen weiteren kostspieligen Krieg zu vermeiden, und schickte seine vertrauenswürdigsten Generäle nach Luzern, um direkt mit den Schweizern zu verhandeln. Die Verhandlungen scheiterten – das gegenseitige Misstrauen auf beiden Seiten war unüberwindbar.

Der Geruch von Schiess­pul­ver ist süsser als alle Düfte Arabiens.

Papst Julius II.
Der junge Herzog Maximilian Sforza wird von den Eidgenossen vor der Stadtmauer von Mailand in sein väterliches Erbe eingesetzt. Stich von 1743.
Der junge Herzog Maximilian Sforza wird von den Eidgenossen vor der Stadtmauer von Mailand in sein väterliches Erbe eingesetzt. Stich von 1743. Schweizerisches Nationalmuseum

Die Schlacht von Novara

Im Mai 1513 überquerten 13’500 französische Soldaten, darunter 6000 Landsknechte, die Alpen, um sich im heutigen Piemont zu sammeln. Aufgrund der Unbeliebtheit von Maximilian Sforza konnte die französische Armee die Lombardei und Mailand ohne grossen Widerstand zurückerobern. In der Zwischenzeit trat Venedig aus der Heiligen Liga aus und versprach nun, die französische Armee zu unterstützen. Dies veranlasste die Eidgenossen, im Spätfrühling mehrere tausend Mann Verstärkung zu entsenden, um die französischen Truppen vor Novara zu treffen und die Sicherheit von Maximilian Sforza zu gewährleisten. Als die Nachricht vom Anmarsch der Eidgenossen das französische Lager erreichte, hoben die Franzosen am 5. Juni 1513 die Belagerung von Novara auf. Dies ermöglichte es einer Kolonne von etwa 7500 Schweizern, die französischen Stellungen zu umgehen und in Novara einzudringen. Dort wurden sie von 4000 ihrer Landsleute herzlich empfangen. Weitere Schweizer Kämpfer waren auf dem Weg, aber die Schlacht begann, bevor sie eintrafen.
Die Schlacht von Novara in der Stumpf-Chronik von 1534.
Die Schlacht von Novara in der Stumpf-Chronik von 1534. Zentralbibliothek Zürich
Da die französischen Streitkräfte zahlenmässig überlegen waren, nutzten die Schweizer das Überraschungsmoment, um sie zu überrumpeln. Ihr Plan war es, die französischen Truppen kurz vor der Morgendämmerung in einem gewagten, aber gut koordinierten Angriff am 6. Juni 1513 anzugreifen. Die Aussichten waren düster: Die Schweizer hatten praktisch keine Artillerie und nur wenig Kavallerie. Tausende von erschöpften Männern hatten den Schlachtort erst Stunden zuvor erreicht. Das Schlachtfeld selbst hätte die Franzosen begünstigen müssen, aber sie hatten keine Zeit, zwischen und um die Gräben und Büsche vor Novara sichere Positionen einzunehmen. Ein Schweizer Kontingent kreiste hinter dem hinteren Teil der französischen Armee, während ein anderes, im Schutz der Getreidefelder versteckt, die französischen Geschütze und Artillerie eroberte. Das dritte Kontingent näherte sich unbemerkt den feindlichen Truppen, indem es mit Spiessen auf dem Boden kroch. Die dreistündige Schlacht war blutig. Die erste Salve der französischen Artillerie tötete Hunderte Männer auf Seite des eidgenössischen Heeres, das sich aber wieder sammelte und den Kampf fortsetzte. Bald darauf richteten die Schweizer ihrerseits die Geschütze auf die Franzosen, die schnell aufgerieben wurden. Dann fielen sie mit voller Wucht über die deutschen Landsknechte her. Die französischen Landsknechte taten wenig oder gar nichts, um ihre deutschen Kameraden zu schützen. Nur fünf von etwa 400 hochrangigen Landsknechten überlebten die Schlacht von Novara. Die französische Kavallerie hatte mehr Glück: Sie entkam nahezu unversehrt aus der Schlacht und hinterliess den triumphierenden Schweizern reiche Beute. Historikerinnen und Historiker schätzen, dass auf französischer Seite 5000 Menschen starben, während die Eidgenossen bis zum Ende der Kämpfe etwa 1000-1200 Mann verloren.
Die Eidgenossenschaft und ihre Grenzen im frühen 16. Jahrhundert
Die Eidgenossenschaft und ihre Grenzen im frühen 16. Jahrhundert. Nach Süden orientierte Karte von Johannes Stumpf, um 1550. Universitätsbibliothek Basel
Im Anschluss an die Schlacht bestätigte Maximilian Sforza der Eidgenossenschaft und den Drei Bünden den Besitz von Locarno, Lugano, Mendrisio, Cuvio, Travaglia, Chiavenna, Bormio, Tre Pievi und Valtellina. Die Niederlage bei Novara war eine grosse Demütigung für die Franzosen. Ludwig XII. konnte für den Rest der Feldzugssaison kein weiteres Heer mehr nach Italien entsenden, da er im Norden mit einer gemeinsamen Invasion durch Heinrich VIII. von England und Maximilian I. von Österreich nach Nordfrankreich konfrontiert war. Die Eidgenossen, motiviert von ihrem erstaunlichen Sieg in der Lombardei, schlossen sich bald ihren englischen und österreichischen Verbündeten an, indem sie Frankreich angriffen und im September 1513 die Stadt Dijon belagerten. Die Lage für Frankreich war katastrophal – Venedig konnte keine weitere Unterstützung leisten, da es sich gegen Spanien verteidigen musste. Schottland war der einzige verbliebene Verbündete Frankreichs. Der Traum Ludwigs XII. von der Schaffung eines «Franco-Italiens» war gescheitert und brachte Frankreich in die grosse Gefahr, von fremden Armeen völlig überrannt zu werden.

Die Franzosen sind zu der Überzeu­gung gelangt, dass sie ohne [die Schweizer] keine Schlacht gewinnen können. Deshalb sind die Franzosen den Schwei­zern nicht gewachsen, und ohne die Hilfe der Schweizer sind sie niemandem gewachsen.

Niccolò Machiavelli (1469-1527) in «Der Fürst»

Das Erbe von Novara und ein faszinie­ren­der Holzschnitt

Obwohl die Schlacht von Novara oft durch die darauffolgende, verheerende Niederlage in der Schlacht von Marignano (1515) verdrängt wird, ist sie dennoch bedeutsam und verdient eine eigene Betrachtung. Dieser letzte grosse eidgenössische Sieg markiert einen Wendepunkt in den langen Italienischen Kriegen: Das Können der Eidgenossen mit der Pike sollte sich ein letztes Mal als unbesiegbar erweisen. Die Taktik der Überraschung und die Tatsache, dass die Franzosen nie eine starke Verteidigungsposition einnehmen konnten, erklären den Erfolg der Eidgenossen nur zum Teil. Die Schweizer Infanterie überrannte die Franzosen und besiegte die Landsknechte trotz unüberwindbarer Schwierigkeiten dank ihrer Ausbildung, ihres Mutes, ihrer Gruppendisziplin und ihrer extremen körperlichen Widerstandsfähigkeit. Es ist bemerkenswert, dass die Mehrheit der Schweizer, die in Novara kämpften, erst Stunden vor der Schlacht am Ort des Geschehens angekommen war. Das Tempo, mit dem sie Novara erreichten, muss zermürbend gewesen sein: Die Soldaten aus Basel legten täglich über 40 km zurück. Einige Historikerinnen und Historiker gehen davon aus, dass auch die gesellschaftlichen Vorstellungen von Ehre eine Rolle für den Erfolg der Schweizer bei Novara spielten. Gesellschaftliche Erwartungen und sozialer Druck verlangten von den Soldaten, dass sie einen Sinn für kriegerische Ehre und Tapferkeit bewahrten. Wenn sie dies nicht taten, mussten sie zu Hause mit sozialem Spott und dem Verlust ihres sozialen Status rechnen. Einfach ausgedrückt: Der Tod war in den Augen vieler Soldaten der Schande weitaus vorzuziehen. Eine Möglichkeit für Schweizer Söldner, ihre Ehre unter Beweis zu stellen, bestand darin, ihren Mut auf den Schlachtfeldern des frühneuzeitlichen Europas unter Beweis zu stellen und zu beweisen. Viele taten dies und kamen ums Leben.

Die Einheit und der Ruhm ihrer Heere haben dieses wilde, unkulti­vier­te Volk berühmt gemacht.

Francesco Guicciardini (1483-1540) in «Die Geschichte Italiens»
«Das Spiel von Mailand», Holzschnitt von Hans Rüegger, 1514.
«Das Spiel von Mailand», Holzschnitt von Hans Rüegger, 1514. Zentrabibliothek Zürich
Es gibt einen aufschlussreichen Holzschnitt des Zürcher Druckers Hans Rüegger (1475-1517), der im Anschluss an die Schlacht von Novara entstand. Er stellt das «Spiel von Mailand» aus der Zeit um 1514 dar und zeigt 15 der mächtigsten Persönlichkeiten Europas, die eine Runde «Flüsslis» spielen, um die Zukunft des Herzogtums zu bestimmen. Flüsslis war zu jener Zeit ein beliebtes Kartenspiel in der Schweiz, dessen Regeln denen des Pokers ähneln. Im Holzschnitt sieht man einen sichtlich unzufriedenen, aber elegant gekleideten Ludwig XII. von Frankreich (A), der den anderen Spielern am Tisch seine Hand zeigt. Der unglückliche, jugendliche Maximilian Sforza (L) lässt seine Karten fallen, bevor er überhaupt den Spieltisch erreichen kann, während ein wütender Maximilian I. (E) eine überdimensionale Krone trägt und einen riesigen Kartenstapel besitzt. Der Doge Leonardo Loredan von Venedig (C), der rechts von Maximilian I. sitzt, blickt verzweifelt auf seine eigenen Karten Der neue Papst Leo X. (D), mit Brille und gekleidet mit den päpstlichen Insignien, beobachtet die Szene und scheint kurz davor, eine Verkündung zu machen. Antoine I., der Herzog von Lothringen (M), umklammert einen Weinkrug und einen Becher und scheint sich über das Schauspiel zu amüsieren, das sich vor ihm abspielt. Die Figur eines Schweizer Söldners (B) sticht jedoch am deutlichsten hervor. Er sieht gut aus, ist jung und bärtig, trägt einen Federhut und sitzt selbstbewusst da. Er hat ausgezeichnete Karten in der Hand und scheint Ludwig XII. auszulachen. Aus diesem Holzschnitt geht nicht hervor, wer letztendlich Mailand gewinnen würde.

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