
Das Zivilverteidigungsbuch von 1969: Der Krieg in den Köpfen
1969 liess der Bundesrat ein rotes Büchlein an alle Haushalte in der Schweiz verteilen: Das Zivilverteidigungsbuch. Das Buch sorgte jahrelang für rote Köpfe...
TV-Bericht von 1969 über das brandneue Zivilverteidigungsbuch. SRF
«Beim Einsatz von atomaren Waffen nimmt die Wirkung mit der Entfernung vom Sprengpunkt ab. Wir müssen damit rechnen, dass in der Kernzone der Explosion alles zerstört ist. In einer weiteren Zone aber, wo zwar über der Erde ebenfalls alles zerstört ist, hat die Zivilbevölkerung in den Schutzräumen überlebt.»
«Die zweite Form des Krieges ist darum so gefährlich, weil sie äußerlich nicht als Krieg erkannt wird. Der Krieg ist getarnt. Er spielt sich in den äußeren Formen des Friedenszustandes ab und kleidet sich in die Gestalt einer inneren Umwälzung. Die Anfänge sind klein und scheinbar harmlos – das Ende ist so bitter wie der Krieg selbst.»
Erwähnenswert sind auch die Illustrationen. Auf der einen Seite wurden sachliche Infografiken benutzt, auf der anderen Seite skizzenhafte Illustrationen, Personen ohne erkennbare Gesichter schemenhaft wiedergegeben und in den entsprechenden Passagen rot eingefärbt.
Das Zivilverteidigungsbuch wurde in der Schweiz sehr kritisch aufgenommen und sorgte schon vor dem Erscheinen innerhalb des Bundesrates für Diskussionen. So soll sich der freisinnige Bundesrat Hans Schaffner (1908–2004), Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartments wiederholt für eine sachlichere Darstellung eingesetzt haben. Im Parlament gab es mehrere Vorstösse zum Thema. «Schliesslich passte das defensiv ausgerichtete Vorhaben auch nur schlecht in die Grundstimmung des politisch-kulturellen Aufbruchs in den sechziger Jahren», hält das Bundesarchiv heute fest.
Besonders intensiv wurde die Kontroverse beim Schweizer Schriftsteller Verband (SSV) geführt, da SSV-Mitglied Maurice Zermatten die französische Übersetzung des Zivilverteidigungsbuchs besorgt hatte. Als Reaktion spaltete sich die Gruppe Olten vom Schriftsteller-Verband ab, sie sollte fortan eine wichtige Stimme werden. Zur Gruppe Olten gehörten unter anderem Peter Bichsel, Anne Cuneo, Walter Matthias Diggelmann, Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Vahé Godel, Ludwig Hohl, Kurt Marti, Mani Matter, Adolf Muschg, Walter Vogt und Otto F. Walter. Die Gruppe Olten wurde erst 2002 wieder aufgelöst.
Die Publikation des Zivilverteidigungsbuches wurde auch im Ausland verfolgt. Das Buch wurde in verschiedenen Ländern nachgedruckt und es erschien es in arabischer, chinesischer und japanischer Sprache, teilweise sogar mit dem Schweizer Kreuz.


