Staatsbesuch von Queen Elizabeth II., 1980.
Staatsbesuch von Queen Elizabeth II. 1980 in der Schweiz. Gemeinsam mit Bundespräsident Georges-André Chevallaz schreitet die Monarchin die Ehrengarde am Flughafen Zürich-Kloten ab. Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Haus Windsor und die Schweiz

70 Jahre stand Queen Elizabeth II. an der Spitze des britischen Königshauses. Das Haus Windsor pflegt mit der Schweiz ein enges Verhältnis. Nicht politisch, sondern eher privat. Ein Blick hinter die eidgenössisch-royalen Kulissen.

Michael van Orsouw

Michael van Orsouw

Michael van Orsouw ist promovierter Historiker, Bühnenpoet und Schriftsteller. Er veröffentlicht regelmässig historische Bücher.

Hier die urdemokratische Schweiz, dort das englische Königshaus – die Distanz könnte nicht grösser sein. Meint man und kommt sich am Tisch doch näher. Am Esstisch, um präziser zu sein. Das Essen verbindet die beiden Institutionen miteinander. Auch hier kann man präzisieren: das Festessen. Deshalb fangen wir mit einem Hochzeitsdiner an: Der Lachs aus den englischen Gewässern war edel mariniert, dazu gab’s wilde Langustinen aus Schottland, Lammrücken aus den Highlands, Gemüse aus Highgrove, englische Spargeln und Jersey Royal-Kartoffeln sowie Eiscreme mit Honig aus Berkshire. Diese Speisenfolge schmeckte nicht nur köstlich, sondern war auch eine kulinarische Hommage an das royale Hochzeitspaar und ihre Herkunft. Das geschickt ausgewählte Festessen für die 300 Hochzeitsgäste von Prinz William und Kate kredenzte ein Koch, dessen Name vorerst geheim gehalten wurde. Erst nach dem erfolgreichen Hochzeitstag am 29. April 2011 kam er an die Öffentlichkeit: Es war einmal mehr der Schweizer Starkoch Anton Mosimann gewesen, der das königliche Festmahl in den Ballroom des Buckingham Palace hingezaubert hatte.
Queen Elizabeth II. und Anton Mosimann, 2007.
Kulinarische Verbindung: Die Queen und Starkoch Mosimann 2007 im Buckingham Palace. Dukas / PA Photos
Dieser Spitzengastronom, ursprünglich aus Nidau im Bernbiet, hatte zuvor bereits 1400 Gäste beim 70. Geburtstag von Prinz Philip und 400 Gäste bei der Goldenen Hochzeit von Queen Elisabeth und Philip bekocht. Der «Toneli vu Nidau», wie sich Anton Mosimann selbstironisch nennt, bekam für seine Kochkünste den «Order of the British Empire», dem ihm die Queen höchstpersönlich verlieh. Dass mit Mosimann ein Schweizer diverse königliche Festdiner kochen durfte, ist typisch für das Verhältnis zwischen dem britischen Königshaus und der Schweiz: Die Beziehung ist durchaus von Vertrauen geprägt und herzlich, aber eher auf Umwegen. Das heisst: Die Verbindung ist nicht so selbstverständlich und direkt wie bei einer Verwandtschaft.

Queen Victoria malt die Schweiz

In diesem Zusammenhang sei die legendäre Queen Victoria (1819–1901) und ihr Faible für die Schweiz erwähnt. Die Urururgrossmutter von William galt einst als «Grossmutter Europas», weil sie nicht weniger 40 Enkel und 88 Urenkel hatte, die sich mit dem europäischen Hochadel verheirateten und dafür sorgten, dass das englische Königshaus mit ganz Europa verwandt war. Auch eine Form von wirksamer Friedensdiplomatie! Doch Schweizerinnen und Schweizer waren bei diesen Verwandtschaftsbeziehungen nicht dabei.
Queen Victoria, 1863.
Queen Victoria war von der Schweiz sehr angetan und verbrachte 1868 mehrere Wochen in der Innerschweiz. Wikimedia
Dafür liebte Queen Victoria die Schweiz als Reiseziel. Als sie nach dem frühen Tod ihres Gatten Albert litt, reiste sie gleich für fünf Wochen in die Schweiz, um sich zu erholen. Sie besuchte im Sommer 1868 verschiedene Sehenswürdigkeiten der Innerschweiz. Ausgehend von Luzern, spazierte die Queen, ritt auf ihren Ponys, schrieb, ruhte und ass. Sie nahm sich immer wieder Zeit, um die Landschaft zu zeichnen und zu aquarellieren. Unbelastet von Regierungsgeschäften und höfischem Gezänk schien sie sich tatsächlich zu erholen. Sie sog die Landschaft in sich auf und verewigte sie in ihren Werken. Viele Bilder dieser Reise sind erhalten und zeigen eine geduldige, unaufgeregte Handschrift der Königin.
Aquarell von Queen Victoria, September 1868.
So sah und malte Königin Victoria den Vierwaldstättersee. Royal Collection Trust / © Her Majesty Queen Elizabeth II 2021

Charles und Andrew fahren Ski

Victorias Nachfahren nutzten die Schweiz ebenso als Ferienland. Diese Tradition hält beispielsweise der heutige Thronfolger Prinz Charles hoch: Seit 1977 kommt er regelmässig im Winter nach Klosters, um dort dem Wintersport zu frönen. Das tragische Lawinenunglück im Gebiet Gotschnagrat am 11. März 1988, bei dem sein Freund Hugh Lindsay ums Leben kam, hielt und hält ihn nicht davon ab. So nahm er ab 1994 immer wieder seine Söhne William und Harry mit nach Klosters. Als Charles in Klosters eines Abends auf einem vereisten Gehweg ausrutschte und nur ein Diener seinen Sturz verhindern konnte, meinte Charles’ Retter vorsichtig, ob es nicht besser wäre, Winterstiefel mit Profil zu tragen. Da antwortete der Prinz salopp: «In meiner Familie wurde ich dazu erzogen, am Abend Schuhe zu tragen.» Charles’ jüngerer Bruder Andrew und dessen Ex-Frau Sarah «Fergie» Ferguson galten als Fans des Walliser Skiortes Verbier, sie verkehrten also eher im Wallis als im Bündnerland.
Auf dem Weg zur Skipiste wurde ab und zu ein kleiner Schlenker eingeplant. Wie hier 1979 in die Toni Molkerei in Zürich. SRF
Doch die Windsors betrachteten die Schweiz nicht nur als Feriendestination. Die Ausstrahlung der königlichen Krone nutzten sie jeweils auch für politische Zwecke. Als nach dem Burenkrieg eine angespannte Beziehung zwischen der Schweiz und Grossbritannien herrschte, preschte König Edward VII. dazwischen: Hochoffiziell gratulierte er 1905 der Schweiz zur Eröffnung des Simplontunnels und fuhr zwei Jahre später selber hindurch, allerdings inkognito und ohne offizielle Empfänge und Begegnungen.
König Edward VII. auf einem Porträt von 1908.
König Edward VII. auf einem Porträt von 1908. Royal Collection Trust / © Her Majesty Queen Elizabeth II 2021
Ein anderes Beispiel: Als England während der Falklandkrise immer isolierter dastand und obendrein noch wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte, kam Queen Elisabeth II. mit ihrem Gatten Philip Ende April 1980 in die Schweiz – es war übrigens der einzige offizielle Staatsbesuch eines britischen Royals in der Schweiz. Trotz Bombendrohungen der IRA und trotz aufkommender Jugendunruhen bereiste das königliche Ehepaar Zürich, Bern, Basel, Lausanne, Montreux, Luzern und das Rütli. Auch wenn Jugendbewegte und Nordirlandfans pfiffen oder buhten, war die Mehrheit in der Schweiz von der Queen auf ihrer Tour de Suisse sehr angetan und mehr noch von Prinz Philip, der viel emotionaler zurückwinkte und sogar herzlich lachen konnte.
Prinz Philip auf dem Rütli, 1980.
Prinz Philip war immer für ein Spässchen zu haben. Hier auf dem Rütli beim Staatsbesuch der Queen 1980. Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Philip wird von der Securitas gestoppt

Dieser Philip war häufiger in der Schweiz als die Queen, weil er bei vielen gemeinnützigen Organisationen mitwirkte. So war er Präsident des WWF mit Sitz in Gland im Kanton Waadt und Präsident der Fédération Equestre Internationale, der Dachorganisation aller Reiterinnen und Reiter, zeitweilig mit Sitz in Bern. So war der Duke of Edinburgh immer wieder für Besprechungen in der Schweiz. Als 1981 in Zug die Weltmeisterschaften im Viererzugfahren stattfanden, nahm der Prinz daran auch als Wettkämpfer teil – seinen 60 Jahren zum Trotz. Er erlangte immerhin den 10. Schlussrang und die Bronzemedaille im Teamwettbewerb. Dass er dabei von einem Securitas-Wächter nicht auf das Festgelände gelassen wurde, weil er den offiziellen Batch vergessen hatte, zeigt die Volksnähe des Adligen. Diese Episode, welche die Unerschrockenheit der demokratischen Geländebewacher gegenüber dem echten Blaublütler zeigt, ist auch schon 40 Jahre her. Dennoch hat Windsor noch immer einen guten Namen in der Schweiz. So nennen sich in Sargans eine Bar, in Schaffhausen ein handgefertigtes Silberbesteck und in Kreuzlingen eine Modemarke «Windsor». Nur das Hotel Windsor in Genf vertraut nicht mehr auf die Strahlkraft dieses Namens; es heisst jetzt Hotel Paquis, benannt nach dem Quartier, in dem es liegt.
Prinz Philip war auch ein Pferdenarr und weilte deshalb ab und zu in der Schweiz, hier 1981 in Zug.
Prinz Philip war auch ein Pferdenarr und weilte deshalb ab und zu in der Schweiz, hier 1981 in Zug. Fédération Equestre Internationale
Doch nochmals zurück zu Promikoch Anton Mosimann, der bei den Royals so hoch im Kurs ist. Schon früher stand ein Schweizer Gastronom im Dienst der englischen Krone. Der Walliser César Ritz galt als der «König der Hoteliers und Hotelier der Könige». Als Victorias Sohn Edward VII. im Jahr 1903 zum König gekrönt wurde, vertraute das englische Königshaus die ganzen Krönungsfeierlichkeiten César Ritz an. Doch der Luxushotelier mit Betrieben in Nizza, Wien, San Remo, Luzern, Monte Carlo, Baden-Baden, Rom und London übernahm sich mit der Aufgabe und brach zusammen. Er erholte sich nicht mehr davon, sondern litt bis zum Lebensende an einer schweren Depression. Auch deshalb war es für die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem britischen Königshaus so wichtig, dass Anton Mosimann beim Hochzeitsdiner von Kate und William brillierte. Er tat es: Der Festanlass ging als «Hochzeit des Jahrhunderts» in die Annalen ein.
Die Hochzeit von Kate und William in voller Länge. YouTube

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