Die Schlacht auf der Planta in der Zürcher- und Schweizerchronik von Gerold Edlibach, zwischen 1506 und 1566.
Die Eidgenössischen Truppen unter dem Berner und Solothurner Banner im brutalen Nahkampf gegen das savoyische Heer: Die Schlacht auf der Planta in der Zürcher- und Schweizerchronik von Gerold Edlibach, zwischen 1506 und 1566. Zentralbibliothek Zürich

Die Schlacht auf der Planta

Die Walliser und ihre eidgenössischen Verbündeten besiegten am 13. November 1475 ein mächtiges savoyisches Heer vor den Toren von Sitten. Die Schlacht auf der Planta, die heute ausserhalb des Wallis kaum bekannt ist, war für das Wallis, Savoyen, die Eidgenossenschaft und Burgund von grosser Bedeutung. Hätten die Walliser die Schlacht verloren, wären das Wallis und die Eidgenossenschaft auf dem Höhepunkt der Burgunderkriege den Savoyern und Burgundern ausgeliefert gewesen.

James Blake Wiener

James Blake Wiener

James Blake Wiener ist Historiker, Mitbegründer der World History Encyclopedia, Autor und PR-Spezialist, der in Europa und Nordamerika als Dozent tätig ist.

Auf den ersten Blick scheint es unwahrscheinlich, dass das Wallis während der Burgunderkriege (1474-1478) eine wichtige Rolle spielen sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bedeutung des Wallis wurde und wird bis heute durch seine Geographie bestimmt. Eingebettet in ein komplexes Netz von Alpengipfeln, Flüssen und Tälern und flankiert von den Steilhängen der fruchtbaren Rhône, bewacht das Wallis den Grosse Sankt Bernhard-Pass und den Simplonpass. Die politische Kontrolle über das Wallis sicherte demjenigen, der die Region beherrschte, enorme strategische Vorteile und Reichtümer. Am Ende des Mittelalters war das Wallis Schauplatz eines ständigen Wettbewerbs zwischen verschiedenen Fraktionen. Die jüngeren Söhne der Feudalherren aus Savoyen und dem Wallis besetzten in der Regel das Amt des Bischofs von Sitten, und so waren Konflikte zwischen den Bischöfen und den Walliser Eliten an der Tagesordnung. Ab den 1420er-Jahren kam es jedoch zu einer spürbaren Machtverschiebung. Die sieben Zenden des Oberwallis – Goms, Brig, Visp, Raron, Leuk, Siders und Sitten – gewannen die Oberhand, sicherten sich politische Rechte und festigten ihre Exekutivgewalt gegenüber den Bischöfen von Sitten. Die Aushöhlung der alten Feudalprivilegien ging so weit, dass Bischof Wilhelm IV. von Raron im Vertrag von Naters 1446 sogar die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit an die sieben Zenden abtreten musste. Die aufeinanderfolgenden Bischöfe von Sitten stritten sich nicht nur mit den Oberhäuptern der sieben Zenden, sondern auch mit dem Herzogtum Savoyen um die geistliche und weltliche Herrschaft über das Unterwallis. Die Bischöfe von Sitten begehrten die alten, verlorenen bischöflichen Besitzungen in Conthey und alle Rechte an St. Théodule. Zudem teilten die Walliser Verträge mit Savoyen von 1384 und 1392 das Wallis und das Bistum Sitten in zwei Hälften, was eine ewige Quelle der Feindseligkeit und des gegenseitigen Misstrauens schuf.
Das Herzogtum Savoyen um 1475.
Das Herzogtum Savoyen um 1475. Wikimedia / Marco Zanoli
Die Eidgenossenschaft um 1474.
Die Eidgenossenschaft um 1474. Wikimedia / Marco Zanoli
In den 1460er- und 1470er-Jahren sah Bischof Walter II. von Supersaxo von Sitten mit tiefem Misstrauen und Verachtung auf den Herzog Amadeus IX. von Savoyen und seine französische Frau Yolande de Valois. Da Yolande angesichts der exzentrischen religiösen Interessen ihres Mannes und seiner Epilepsieanfälle die eigentliche Machthaberin in Savoyen war, beobachtete Walter jeden ihrer diplomatischen Schritte genau. Walter glaubte, dass das Ehepaar den Aufruhr unter den grossen Familien der sieben Zenden förderte, und befürchtete, dass die Savoyer Sitten in ihr Herrschaftsgebiet eingliedern würden. Trotz des 1422 unterzeichneten und 1454 bekräftigten Abkommens zwischen Wallis und Mailand über den Alpentransit und die Grenzsicherung befürchtete Walter, dass auch die Savoyer und die Mailänder sich im geheimen Absprechen könnten. Als sich die Beziehungen zwischen Savoyen und Mailand durch die Heirat von Amadeus' Schwester, Bona von Savoyen, mit Herzog Galeazzo Maria Sforza im Jahr 1468 weiter festigten, hatte Walter allen Grund, mit der Unterstützung der Savoyer bei der territorialen Expansion Mailands auf seine Kosten zu rechnen. Die Spannungen nahmen zu, doch abgesehen von gelegentlichen Grenzscharmützeln hielt der angespannte Frieden bis 1475.
Die Herzogin von Savoyen, Yolande de Valois (links), in einer Widmung im Manuskript Rhetorica von Guillaume Fichet, 1471.
Die Herzogin von Savoyen, Yolande de Valois (links), in einer Widmung im Manuskript Rhetorica von Guillaume Fichet, 1471. Die Handschrift beginnt mit dieser grossen Miniatur, die den Autor darstellt, der sein Buch der Herzogin widmet. Cologny, Fondation Martin Bodmer

Die interna­tio­na­len Spannun­gen kochen über

Der Konflikt zwischen Burgund und der Eidgenossenschaft hatte ebenso viel mit den burgundischen Absichten zu tun, die Eidgenossen zu besiegen, wie mit dem Schutz Savoyens vor einem möglichen Übergriff der Schweizer. Karl «der Kühne», Herzog von Burgund, brauchte Savoyen, um die burgundischen Truppenbewegungen abzuschirmen, während er einen Angriff auf die Eidgenossenschaft vorbereitete. Savoyen war auch von grösster logistischer Bedeutung, da es die Wege von Burgund nach Mailand kontrollierte, wo Karl die meisten seiner Söldner anheuerte. Im Frühjahr 1473 begannen die von Karl angeworbenen italienischen Söldner, Savoyen in grosser Zahl zu durchqueren. Dies verunsicherte die Schweizer, die zu Recht vermuteten, dass diese Söldner nicht nur gegen sie, sondern auch gegen ihre Verbündeten, Basel, Strassburg und Lothringen, eingesetzt werden könnten. Obwohl Yolande die geliebte Schwester des schweizfreundlichen Ludwig XI. von Frankreich war, schwankte sie an den savoyardischen Königshöfen in Chambéry und Turin zwischen der pro-französischen und der pro-burgundischen Fraktion. Erst als Karl ihrem Sohn Philibert I. die Hand seiner Tochter und Erbin Maria von Burgund anbot, stellte sich Yolande auf die Seite Burgunds gegen Frankreich und die Eidgenossenschaft. In Erwartung eines bewaffneten Konflikts verhängte sie 1473 ein Wirtschaftsembargo gegen die Eidgenossenschaft und erhielt kurz darauf von Karl als Zeichen der Wertschätzung eine Elitewache von 80 burgundischen Söldnern.
Karl der Kühne, Porträt um 1460, ein Werk von Rogier van der Weyden.
Karl der Kühne, Porträt um 1460, ein Werk von Rogier van der Weyden. Gemäldegalerie Berlin, © bpk-Bildagentur
Walter war sich der Ereignisse und der prekären Lage, die das Wallis erwartete, wenn die Savoyer und Burgunder gegen die Eidgenossen erfolgreich waren, bewusst. So entschied er sich, auf Zeit zu spielen. Walter wusste, dass er durch ein Bündnis mit den Eidgenossen die an Savoyen verlorenen Gebiete zurückgewinnen und gleichzeitig seine eigene Position gegenüber den sieben Zenden stärken konnte. Als tatkräftiger und kluger Mann verfolgte Walter die militärischen Vorbereitungen der Eidgenossen gegen Burgund im Jura sowie die rege Diplomatie zwischen Savoyen, Burgund und Mailand im Laufe eines Jahres. Die Nachricht von einem Bündnis zwischen Mailand, Savoyen und Burgund – der so genannten Liga von Moncalieri – im Februar 1475 sorgte in Sitten und Bern für Empörung. Im September 1475 war es dann endlich soweit: Berner Diplomaten trafen in Sitten ein und baten den Bischof und die sieben Zenden um Hilfe. Sofort wurde ein gegenseitiger Verteidigungsvertrag unterzeichnet, der es den Bernern ermöglichte, in die Waadt einzumarschieren, während die vereinten Heere von Walter und den sieben Zenden das Unterwallis angreifen konnten.
Die sieben Zenden am Vorabend der Burgunderkriege, 1470.
Die sieben Zenden am Vorabend der Burgunderkriege, 1470. Wikimedia
Als Reaktion auf den Einmarsch der Walliser im Unterwallis schickte Yolande ihren Schwager Johann-Louis von Savoyen, den Erzbischof von Genf, aus, um die Sittener und die sieben Zenden zu besiegen. Das gemeinsame Heer von Walter und den sieben Zenden unternahm zwei erfolglose Versuche, die Stadt Conthey einzunehmen, wobei sie nur ein wenig Getreide erbeuten konnten. Am 12. November traf das Hauptheer der Savoyarden in Conthey ein. Man schätzt, dass dieses beeindruckende Aufgebot etwa 10’000 Mann umfasste, darunter 1500 adlige Kavallerieoffiziere. Die Sittener und die sieben Zenden waren in der Unterzahl. Nur 300 Mann – darunter sechzig erfahrene Pikeniere aus Bern und den Drei Bünden – standen zur Verteidigung von Sitten zur Verfügung. Rund 4’000 Milizionäre aus den sieben Zenden und etwa 3'000 Freiwillige aus Bern, Solothurn und Freiburg marschierten in Richtung Sitten, doch die Sittener waren sich nicht sicher, ob sie rechtzeitig eintreffen würden. Die Lage in Sitten schien aussichtslos; die Savoyarden rechneten damit, die Stadt am nächsten Tag mit Leichtigkeit einnehmen zu können.
Sitten um 1588. Panorama in der Cosmographia von Sebastian Münster.
Sitten um 1588. Panorama in der Cosmographia von Sebastian Münster. notrehistoire.ch

Die Schlacht auf der Planta

Die Schlacht auf der Planta begann am Morgen des 13. November. Nachdem die savoyardische Armee die Morge bei Conthey überquert hatte, gelang es ihr, die Vorhut der Sittener zu überwältigen und sie in Richtung Sitten zurückzudrängen. Ein kleineres Bataillon der Savoyarden hatte sich bereits in Richtung Safiesch bewegt. Sie plünderten Safiesch sowie die Dörfer Malerna und Zuschuat mit dem Ziel, nicht nur die Zivilbevölkerung zu terrorisieren, sondern auch Sitten einzukreisen. Als das Hauptheer der Savoyarden begann, die westlichsten Teile von Sitten zu stürmen, trafen die Milizen der sieben Zenden in der Stadt ein. Sie drängten die Savoyarden nach La Planta, direkt ausserhalb der Stadtmauern von Sitten, zurück. Da die Milizen der sieben Zenden nur leicht ausgerüstet und von ihrem Marsch erschöpft waren, konnten sie die Savoyarden nicht auf dem offenen Schlachtfeld herausfordern. In diesem Moment der Verzweiflung tauchten die Eidgenössischen Truppen unter Berner Führung und mit Hilfe von Knechten aus Freiburg und Solothurn, nach ihrer Überquerung des Sanetsch-Passes am Horizont auf. Von der Ankunft der Schweizer überrascht, zog sich das Bataillon der Savoyer nach Westen zurück, während sich die Schweizer vor den Toren von Sitten sammelten. Die Sittener, die sieben Zenden und die Eidgenossen bekämpften die grössere savoyardische Armee in einem blutigen Nahkampf als eine vereinte Streitmacht. Obwohl sie zahlenmässig unterlegen waren, löste das schnelle Vorrücken der Verbündeten und ihre Grausamkeit im Kampf eine Panik unter den savoyardischen Soldaten aus – diese flohen in Massen und liessen eine reiche Beute an Rüstungen, Waffen, Pferden und reich bestickten Bannern zurück. Die Verluste der Savoyer waren schwer: Über 1000 Menschen starben, darunter etwa 300 Adlige. Die alliierten Truppen machten dagegen viele Gefangene und erlitten nur geringe Verluste.
Im Nahkampf erschlagen die eidgenössischen Truppen vor Sitten über dreihundert Savoyer, 1475.
Im Nahkampf erschlagen die eidgenössischen Truppen vor Sitten über dreihundert Savoyer, 1475. Burgerbibliothek Bern
Nach dem Erfolg in der Schlacht auf der Planta verfolgten Walters Truppen die sich zurückziehenden Savoyer und eroberten das von den Savoyern kontrollierte Unterwallis bis nach Saint-Maurice. Insgesamt wurden siebzehn befestigte Burgen eingenommen, von denen die Eidgenossen und Walliser in der Folge viele zerstörten oder abrissen. Anfang Dezember 1475 schlossen die Eidgenossen einen Waffenstillstand mit Yolande, und Bern und Freiburg besetzten vorsorglich die Städte Conthey und Saint-Maurice, um Savoyen von feindlichen Vergeltungsmassnahmen abzuhalten. Die eidgenössische Unterstützung durch den Bischof von Sitten und die sieben Zenden war unabdingbar für den Sieg in der Schlacht auf der Planta, und die Beziehungen zwischen dem Wallis und der Eidgenossenschaft entwickelten sich im Laufe des nächsten Jahrhunderts weiter. Walter seinerseits glaubte fest daran, dass der Sieg über Savoyen durch das göttliche Eingreifen der Jungfrau Maria, der heiligen Katharina und des heiligen Théodule errungen wurde. So feierten die Walliser bis 1914 am 13. November jeweils das Fest Notre-Dame des Sept-Joies.

…wir werden es euch nie vergessen. Wir verkünden Ihnen dies in der Hoffnung, dass Sie sich mit uns über unser Glück freuen werden, so wie wir uns mit Ihnen freuen.

Walter, Bischof von Sitten, in einem Dankesbrief an die eidgenössischen Führer in Bern, verfasst am Abend des 13. November 1475
Conthey VS in einer Handzeichnung von 1868
Das nach der Schlacht auf der Planta von den Wallisern besetzte Conthey in einer Handzeichnung von 1868. Im Vordergrund die Ruine, des 1475 zerstörten Schlosses der Grafen von Savoyen. Schweizerisches Nationalmuseum
Die Besetzung des Grossen St. Bernhard durch die Walliser erwies sich für Burgund und seine Verbündeten als verhängnisvoll, da die Mailänder Söldner nicht an den bevorstehenden Schlachten gegen die Eidgenossen teilnehmen konnten. Man kann die Schlacht auf der Planta also zu einer Reihe von Katastrophen zählen, die zum Untergang Burgunds beitrugen. Nach dem Tod und der Niederlage Karls des Kühnen gegen die Eidgenossen in der Schlacht von Nancy arrangierte Walter zu Weihnachten 1477 in Sitten einen besonderen Landtag zwischen den Sittenern und den sieben Zenden. An diesem Tag wurde das Unterwallis offiziell annektiert. Die neuen Gebiete wurden den sieben Zenden unterstellt, deren gemeinsame Herrschaft bis 1792 dauerte. Savoyen weigerte sich bis 1528, die Annexionen anzuerkennen, das Herzogtum erhielt diese Gebiete nie zurück. Abgeschnitten von den lukrativen Alpenpässen nach Italien und umgeben von habgierigen Feinden, begann für Savoyen eine Zeit des Niedergangs, die bis zum Ende der Italienischen Kriege 1559 andauern sollte. Der militärische Erfolg in der Schlacht auf der Planta bereitete den Boden für die künftige Expansion des Wallis gegen Mailand in den folgenden Jahrzehnten, und die Geschichtsforschung betrachtet die Schlacht als eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Wallis.

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