Liselotte von der Pfalz, in Frankreich bekannt als «Madame Palatine», in einem Gemälde von Jean-Gilbert Murat für das Schloss Versailles nach dem Original von Pierre Mignard (Ausschnitt).
Liselotte von der Pfalz, in Frankreich bekannt als «Madame Palatine», in einem Gemälde von Jean-Gilbert Murat für das Schloss Versailles nach dem Original von Pierre Mignard (Ausschnitt). © RMN-GP, Schloss Versailles / Hervé Lewandowski

Madame Palatine am Hof des Sonnenkönigs

Liselotte von der Pfalz‘ exorbitante Briefkorrespondenz weist autobiographische Züge auf, hat den Charakter einer Chronik des französischen Hofs zur Zeit Ludwigs XIV. und der Régence und gehört zu den bekanntesten deutschsprachigen Textwerken der Barockzeit.

Murielle Schlup

Murielle Schlup

Freischaffende Kunsthistorikerin und Kulturwissenschaftlerin

«Ganz Europa trauert» («Voilà un deuil pour toute l'Europe»). Mit diesen Worten kommentierte der Pariser Jurist und Chronist Mathieu Marais den Tod jener Prinzessin, die 51 Jahre ihres Lebens am französischen Hof verbrachte und dank ihrer exorbitanten Briefkorrespondenz europaweit hervorragend vernetzt war: Elisabeth Charlotte, besser bekannt als Liselotte von der Pfalz (1652–1722), Herzogin von Orléans, Schwägerin König Ludwigs XIV. und Mutter des französischen Regenten Philippe II. de Bourbon. Aus ihren Kabinetten versandte sie mindestens 60‘000 Briefe – dreimal mehr als Voltaire – an die Königshöfe von Preussen, England, Schweden, Dänemark, Spanien und Sizilien sowie an fast sämtliche Fürstenhöfe in Deutschland und an die herzöglichen Höfe von Lothringen, Savoyen und Modena.
Hoch über der Neckar: Stadt und Schloss Heidelberg vor der Zerstörung. Gemälde von Gerrit Berckheyde, um 1670.
Hoch über der Neckar: Stadt und Schloss Heidelberg vor der Zerstörung. Gemälde von Gerrit Berckheyde, um 1670. Kurpfälzisches Museum Heidelberg
Liselotte von der Pfalz stammte aus dem Hochadel des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Die Enkelin des «Winterkönigs» Friedrich V. und Elizabeth Stuart aus England war die einzige Tochter des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz aus dessen erster Ehe mit Charlotte von Hessen-Kassel. Als«teutsches rauschenplattenkechtchen» beschrieb sie sich als Kind – einen fröhlichen Windfang, der wie ein Blatt rastlos im Wind rauscht. Dass sie lieber als Junge geboren worden wäre, erwähnt sie wiederholt: mit «Den es ist mir all mein leben leydt gewssen, ein weibsmensch zu sein, und churfürst zu sein, wehre mir, die wahrheit zu sagen, besser ahngestanden, alss Madame zu sein».
Spiele lieber mit den Holzschwertern ihres Bruders als mit Puppen: Die kleine Liselotte im Alter von vier bis fünf Jahren.
Spiele lieber mit den Holzschwertern ihres Bruders als mit Puppen: Die kleine Liselotte im Alter von vier bis fünf Jahren. Wikimedia
Die Ehe Liselottes Eltern scheiterte früh. Nach der – rechtlich umstrittenen – Scheidung heiratete ihr Vater nicht standesgemäss Louise von Degenfeld, die vormalige Hofdame Liselottes Mutter. In Begleitung ihrer Gouvernante kam das siebenjährige Mädchen in die Obhut von Karl Ludwigs Schwester Sophie von Hannover an den Hof der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, wo die vom elterlichen Dauerstreit geplagte Liselotte unbeschwerte Kindheitsjahre verbrachte. «Mein herzlieb ma tante» Sophie war ihr eine Art Mutterersatz und sollte bis zu deren Tod ihre engste Vertraute bleiben. Mindestens einmal die Woche wechselten die beiden später Briefe, von denen Liselottes nicht selten über 20 Seiten umfassten. 1663 holte der Kurfürst sie wieder nach Heidelberg zurück und liess ihr eine standesgemässe Mädchenerziehung zuteilkommen. Diese umfasste das Bibelstudium, Nadelarbeiten, Tanzlektionen, das Spinettspiel sowie den Unterricht in deutscher und französischer Sprache. Für die Freizeit waren Federball, Billard sowie das Lesen von Büchern zur Geschichte und zur «sittlichen Belehrung» vorgesehen. Von den 13 – teilweise früh verstorbenen – Halbgeschwistern, mit denen sich Liselotte gut verstand, verblieb sie mit den Raugräfinnen Luise und Amalie Elisabeth (Amelise) sowie mit dem Raugrafen Karl Ludwig (Karllutz) in lebenslanger Brieffreundschaft.
Ein Porträt für den Heiratsmarkt: Liselotte zwischen 1670 und 1671, kurz vor ihrer Hochzeit mit Herzog Philippe I. von Orléans.
Ein Porträt für den Heiratsmarkt: Liselotte zwischen 1670 und 1671, kurz vor ihrer Hochzeit mit Herzog Philippe I. von Orléans. Wikimedia

Von Heidel­berg nach Versailles

1671 wird Liselotte mit dem verwitweten Herzog Philippe I. von Orléans, dem jüngeren Bruder des französischen Königs Ludwig XIV., verheiratet. Durch diese politisch motivierte Eheschliessung hoffte Liselottes Vater, sein Territorium nachhaltig vor den Expansionsbestrebungen Frankreichs schützen zu können – vergeblich, wie sich rund zehn Jahre später herausstellen sollte. Liselotte fügte sich in ihr Schicksal: «Man hat mich, unter uns geredt, wider meinen guten willen hierher gesteckt», schreibt sie später aus Frankreich. Unter Tränen verliess sie ihre geliebte Heimat, der sie bis an ihr Lebensende nachtrauerte: «Teutschland war mir lieber und finde es […] viel angenehmer, wie es weniger pracht und mehr aufrichtigkeit hatte.» Sie hielt zeitlebens grosse Stücke «auf unssere gutte teutsche manir», auch was die Kulinarik betraf: «sawerkrautt undt brauner kohl schmecken mir besser» und «wolte lieber warmbier mitt musscadnus drincken, alss chocolatte, caffé undt thé».
Monsieur und Madame, so die Ehrentitel des Herzogspaares, waren ein durchwegs unpassendes Ehegespann. Der homosexuelle Königsbruder war ein hemmungsloser Lebemann und in keiner Weise an Liselotte interessiert. Er führte einen ausschweifenden, genusssüchtigen Lebensstil und verbrachte seine Tage und Nächte vorzugsweise damit, immense Geldsummen für Liebhaber, Günstlinge und Kartenspiele auszugeben. Eine viel vertrautere, freundschaftlichere Beziehung pflegte Liselotte hingegen mit dem von ihr hochverehrten König, dessen Leidenschaften sie weitgehend teilte. So waren beide gleichermassen dem Theater und der Oper zugetan, was zu regelmässigen gemeinsamen Vorstellungsbesuchen führte. Auch auf die Jagd gingen sie oft zusammen, sei es zu Pferd oder in der Kutsche. Das Jagen war eine Passion, der Liselotte bis ins hohe Alter nachging – trotz Stürzen, Verletzungen und laufender Gewichtszunahme: «Ob ich zwar dick bin, so hindert mich doch noch nicht ahn jagend; ich reitte grosse pferde, so mich woll tragen können».
Liselotte im Jagdkostüm, aquarellierte Zeichnung von Joseph Werner, 1671.
Liselotte im Jagdkostüm, aquarellierte Zeichnung von Joseph Werner, 1671. ©Schloss Versailles, Dist. RMN / ©Christophe Fouin

Liselot­tes Leben am franzö­si­schen Hof

Liselotte verfügte über einen eigenen, 250 Personen umfassenden Hofstaat, der jährlich rund 250’000 Livres kostete, und bewohnte Appartements im Palais Royal in Paris sowie auf den Schlössern Saint-Germain-en-Laye, Saint-Cloud, Versailles, Marly, Fontainebleu und Montargis. Die meiste Zeit hatten sie und ihr Ehemann am Königshof anwesend zu sein, um an den permanenten Festlichkeiten, Zeremonien und Zerstreuungen teilzuhaben: «[…] wan wir von der jagt kommen, so kleite man sich anders ahn undt gingen 'nauff zum spiel; dorten blieb man biss umb 7 abents; von dar ging man in die commedie, welche umb halb 11 auss war, alssdan ging man zum nachtessen, vom nachtessen zum bal». Mit der Etikette und den Sitten des höfischen Lebens sowie mit der allgegenwärtigen Verschwendungs- und Prunksucht konnte Liselotte nicht viel anfangen. Übermässigen modischen Aufwand tat sie als eitel und «coquett» ab. Umso mehr amüsierte es sie, dass ihr «alter Zobel», für den sie bei ihrer Ankunft in Frankreich zunächst noch verspottet worden ist, im kalten Winter 1676 zum beliebten Accessoire avancierte: «[…] so lesst jetzt jedermann auch einen […] machen und es ist jetzt die grösste mode», witzelte sie über die eher rustikale, nach ihr «Palatine» benannte Pelzstola. Liselotte behilet die ihrige bis sie zerfressen war von Motten. Letztere landeten unter dem Mikroskop der neugierigen und wissenschaftlich vielseitig interessierten Herzogin.
Liselotte um 1678/1679 mit ihren Kindern: Elisabeth Charlotte, spätere Herzogin von Lothringen (links), und der zukünftige französische Regent Philippe II. de Bourbon (rechts).
Liselotte um 1678/1679 mit ihren Kindern: Elisabeth Charlotte, spätere Herzogin von Lothringen (links), und der zukünftige französische Regent Philippe II. de Bourbon (rechts). © RMN-GP, Schloss Versailles / Hervé Lewandowski

«Madame sein ist ein ellendes Handwerck»

Monsieur zeugte mit Liselotte eine Tochter und zwei Söhne, von denen der ältere im Kleinkindalter starb. Da seine dynastischen Verpflichtungen damit erfüllt waren, zog er aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus. Liselotte hatte kein Problem damit, zumal sie «das handwerck, kinder zu bekommen, gar nicht geliebt» hat. Gelitten hat sie vielmehr darunter, dass ihr Gatte sie fortan entweder ignorierte oder schikanierte. Die teilweise zwielichtige Entourage aus Günstlingen und Gespielen, die sich rund um die Uhr um den einfach zu manipulierenden Herzog scharten, hafteten Liselotte aus reiner Boshaftigkeit Lügengeschichten an, welche die ohnehin bereits schwierige Ehe zusätzlich belasteten. Liselotte war den Intrigen ausgeliefert, zumal auch der König nicht dauernd den Vermittler spielen wollte und es partout ablehnte, gegen seinen Bruder Partei zu ergreifen. Liselotte zog sich nun öfters in den Schutz ihrer privaten Räumlichkeiten zurück. «Madame sein ist ein ellendes Handwerck», klagte sie, und fand sich damit ab, «dass mein verhencknuss [Verhängnis, Schicksal] von gott also versehen ist: stehts zu leyden undt zu schweygen undt allen kummer in mich zu fressen». In permanenter Depression versank die herzliche und humorvolle Frau jedoch nicht: «Ma kann nicht allzeit schreyen, es hilft auch zu nichts, lachen erhelt die gesundheit, kacken und furzen met verlöff [mit Verlaub] helfen auch viel dazu». Wissensdurstig, vertiefte sie sich in die Bücher ihrer umfangreichen Bibliothek, pflegte ihre hochkarätigen Sammlungen an Münzen, Edelsteinen und Petschaften, kümmerte sich um ihre Cockerspaniels, spielte Gitarre und widmete sich noch ausgiebiger ihrer grössten Leidenschaft: dem Briefeschreiben. «Schreiben amusiert mich und gibt meinen trauerigen gedanken distraction.»

Frei von Schnör­keln und Künstlichkeit

Liselottes Briefkorrespondenz enthält detaillierte Schilderungen von Ereignissen und Erlebtem, wobei sich «Breaking News» mit (scheinbar) banalen Alltagsschilderungen vermischen. Wertvolle Details und pikante Anekdoten erlauben tiefe Einblicke in das Leben vor und hinter den glanzvollen barocken Kulissen am französischen Hof. Ihre Sätze waren frei von floskelhaften Schnörkeln und distanzierter Künstlichkeit, offen und direkt formuliert, in unverblümtem Stil verfasst und mit kritischen, wenn auch meist stark subjektiven Urteilen gespickt, wobei Selbstironie und Sarkasmus selten zu kurz kamen. Überzeugt ging sie davon aus, dass ihre Briefe nach Erhalt und Beantwortung sofort vernichtet würden, tat sie doch genau dies mit der an sie adressierten Post. Daher schrieb die gebildete, geistreiche Liselotte ihre Gedanken und Ansichten ohne literarische Ambitionen frei von der Leber nieder: «[…] ich schreibe, wie ich rede; den ich bin zu naturlich, umb anderst zu schreiben, alss ich gedencke». Dies im Wissen, dass ihre Briefe vor Versand stets prüfend gelesen werden. Wiederholt wurde sie in die Schranken gewiesen. Mit derbem Witz reagierte sie in einem ihrer Briefe auf diese Überwachung, indem sie eine «intime Bedürfnisnotlage» während einer Reise schilderte: «Es kame mir eine gar gross not an […], man brachte mir einen irdenen kammerpott. Wie ich in der besten arbeit war, brach der kammerpott. […]. Dies ist eine schöne historie und würdig, von einem minister d’estat gelesen zu werden; ich möge wissen, ob er dieses dem König auch rapportieren wird, den die staatssachen werden übel gehen, wenn der König dieses nicht erfährt.»
Brief mit Unterschrift von Liselotte von der Pfalz vom 20. Februar 1718.
Brief mit Unterschrift von Liselotte von der Pfalz vom 20. Februar 1718. Ein Drittel ihrer Korrespondenz führte sie auf Französisch. Universitätsbibliothek Heidelberg

Im Konflikt mit dem geliebten König

Vollends ins Abseits manövrierte sich die eigenwillige Liselotte am Hof durch ihren unbändigen Hass auf Madame de Maintenon. Diese war zunächst Erzieherin der sogenannten «königlichen Bastarde», der Kinder von Ludwig XIV. und seiner Mätresse Madame de Montespan. Nachdem de Maintenon letztere in ihrer Funktion verdrängt hatte und Königin Marie-Thérèse verstorben war (1683), ging Ludwig XIV. eine morganatische Ehe mit der «Emporgekommenen aus niederem Stand» ein. Liselotte, im Grunde bodenständig und freigeistig, zugleich aber zutiefst standesbewusst und adelsstolz, diffamierte die einflussreiche, den König ganz für sich einnehmende Frau, fortan als «Maussdreck», der sich «zwischen Pfefferkörner verirrt» hat, als «alte Hexe» und «alte Zott». Dass der König sich in der Folge von seiner Schwägerin abwandte, geschah zu Liselottes völligem Unverständnis. Die grösste Demütigung für Liselotte, die für «Mesalliancen» – im wahrsten Sinne des Wortes «unanständigen» ehelichen Verbindungen – nichts als abgrundtiefe Verachtung übrighatte, geschah 1692, als Ludwig XIV. die Heirat zwischen einer seiner ausserehelichen Töchter und Liselottes Sohn erwirkte. Bei der Verkündigung der Nachricht ohrfeigte Lieselotte letzteren vor versammeltem Hofstaat. Zusätzliche Belastung erfuhr das Verhältnis zwischen dem König und seiner Schwägerin, nachdem Liselottes Bruder Karl II., seit 1680 pfälzischer Kurfürst, kinderlos verstorben ist. Ludwig XIV. erhob ohne jedes Recht und im Namen seiner Schwägerin Erbansprüche, die in den Pfälzischen Erbfolgekrieg zwischen 1688 und 1697 mündeten. Französische Truppen marschierten marodierend in die Kurpfalz ein, verwüsteten Städte, Dörfer und Felder und zerstörten das Schloss Heidelberg: «Das macht mir das Herz bluten, und man nimmt mir es noch hoch vor Übel, dass ich traurig drüber bin», klagte Liselotte.
Heidelberg im Pfälzischen Erbfolgekrieg: Titelblatt einer anonymen Schrift von 1693 über die gezielte Zerstörung von Stadt und Schloss durch Brandlegung und Sprengungen (Ausschnitt).
Heidelberg im Pfälzischen Erbfolgekrieg: Titelblatt einer anonymen Schrift von 1693 über die gezielte Zerstörung von Stadt und Schloss durch Brandlegung und Sprengungen (Ausschnitt). Universitätsbibliothek Heidelberg

Von der Witwe zur Regentenmutter

1701 verstarb Monsieur und hinterliess einen immensen Schuldenberg. Die Witwe Liselotte war nun ganz auf die Gunst und das Geld des von ihr nach wie vor hochgeschätzten Königs angewiesen. Um sich beides zu sichern, musste sie über ihren Schatten springen und sich zunächst mit Madame de Maintenon versöhnen – mit Erfolg. Fortan war der König seiner Schwägerin wieder gut gesinnt, hielt sie jedoch, ausser bei offiziellen Anlässen, weiterhin auf Distanz. Sein altes Vertrauen gewährte Ludwig XIV. Liselotte erst wieder in seinen letzten Lebensjahren, in denen sie erneut freien Zutritt in das für sie «Allerheiligste» erhielt: die Gemächer des Königs.
Liselotte beim Empfang des sächsischen Kurprinzen Friedrich August, des späteren Königs August III. von Polen, am 27. September 1714
Im Zentrum und zur Rechten des Königs: Liselotte beim Empfang des sächsischen Kurprinzen Friedrich August, des späteren Königs August III. von Polen, am 27. September 1714. Gemälde von Louis de Silvestre. © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Dort wurde ein Thema zum Dauerbrenner: die unsichere Thronfolge, die laufend neu in sich zusammenfiel, angefangen 1711 mit dem Tod des «Grand Dauphin», der als einziges legitim geborenes Kind des Königs das Erwachsenenalter erreicht hatte. Dessen Sohn, der «Petit Dauphin», starb knapp ein Jahr darauf – dicht gefolgt von dessen ältestem Sohn. Als Ludwig XIV. 1715 das Zeitliche segnete, fiel der Thron an seinen fünfjährigen Urenkel, den späteren König Louis XV., dem aufgrund seiner Unmündigkeit Liselottes Sohn an die Seite gestellt wurde. Die bis 1723 dauernde Regierungszeit von Philippe II. de Bourbon ging als Régence in die Geschichte ein.

Tod und Nachleben

Liselotte, bis zu ihrem Tod die Regentenmutter und «erste Dame» des Hofs, pflegte im Alter ein gutes Verhältnis zu ihrem Sohn und hatte am Hof wieder an Ansehen gewonnen. Doch nun waren es Krankheit und Gebrechen, die ihr vermehrt Kummer bereiteten. Der Hof in Versailles löste sich auf Anordnung Ludwigs XIV. bis zur Volljährigkeit des neuen Königs auf und Liselotte verbrachte fortan viel Zeit auf Schloss Saint-Cloud. Dort starb sie am 8. Dezember 1722 mit 70 Jahren.
Die Lieblingsresidenz: Das Monsieur gehörende Schloss Saint-Cloud bei Paris ging nach dessen Tod an Liselottes Sohn über. Gemälde von Étienne Allegrain (Ausschnitt).
Die Lieblingsresidenz: Das Monsieur gehörende Schloss Saint-Cloud bei Paris ging nach dessen Tod an Liselottes Sohn über. Gemälde von Étienne Allegrain (Ausschnitt). Wikimedia
Unsterblichkeit verdankt Liselotte ihrer aussergewöhnlichen Briefkorrespondenz, die ihre vielschichtige Persönlichkeit widerspiegelt. Ihre vielzitierten Briefe sind eine kultur- und mentalitätshistorisch bedeutende Quellensammlung mit autobiographischen Zügen, zugleich ein chronikartiges Panorama des französischen Hofs zur Zeit Ludwigs XIV. und der Régence. Obschon nur rund 10 Prozent der von ihr verfassten Briefe erhalten geblieben sind, handelt es sich um einen überaus umfangreichen, dichten Bestand. Leider ist dieser bis heute nur bruchstückhaft editiert, dies zudem in uneinheitlicher, teilweise stark veränderter Bearbeitung (daher die sprachlichen Abweichungen der in diesem Text verwendeten, aus diversen Publikationen stammenden Zitaten). Eine einheitliche Gesamtausgabe steht auch 300 Jahre nach ihrem Tod noch aus. Erstaunlich, gehört Liselottes Briefkorrespondenz doch zu den bekanntesten deutschsprachigen Textwerken der Barockzeit.
Barocke Fülle unter dem Witwenschleier: Liselotte trägt einen hermelingefütterten Samtumhang mit den Bourbonenlilien, die sie als Mitglied der königlichen Familie auszeichnen. Porträt von Hyacinthe Rigaud, 1713
Barocke Fülle unter dem Witwenschleier: Liselotte trägt einen hermelingefütterten Samtumhang mit den Bourbonenlilien, die sie als Mitglied der königlichen Familie auszeichnen. Porträt von Hyacinthe Rigaud, 1713. RMN-Grand Palais (Château de Versailles)

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