Ein Bild aus glücklichen Tagen: Anne Frank in den 1930er-Jahren in den Sommerferien in Sils.
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Anne Frank in den 1930er-Jahren in den Sommerferien in Sils. Anne Frank Fonds Basel

Anne Frank und die Schweiz

Anne Frank hatte eine enge Verbindung zur Schweiz. Hier verbrachte sie glückliche Tage mit der Familie, die teilweise seit 1929 in Basel wohnte.

Gabriel Heim

Gabriel Heim

Gabriel Heim ist Buch- und Filmautor sowie Ausstellungsmacher. Er befasst sich vor allem mit Recherchen zu Themen der Neueren Zeitgeschichte und lebt in Basel.

Am 25. Juli 1952 schreibt Otto Frank, der Vater von Anne Frank, an das Schweizer Konsulat in Amsterdam: «1944 wurde ich mit meiner Familie deportiert. Meine Frau und meine Kinder kamen um. Nun will ich, da ich alleine lebe, nach Basel, wo meine Mutter noch lebt und wo meine Schwester mit Mann und Familie seit 1929 ansässig ist.» Es sind nur wenige Worte, doch sie führen mitten in das Schicksal von Otto und Edith Frank und deren Töchter Margot und Anne – eine jüdische Familie, die 1933 den Entschluss gefasst hat, Deutschland zu verlassen, um in Amsterdam dem Judenhass zu entkommen. Otto Frank wählt nicht die Schweiz als Exilland, obwohl er familiäre Bindungen dahin hat. Seine Schwester Leni lebt mit ihrem Mann Erich Elias und den Söhnen Stephan und Bernhard (Bernd) in Basel. Trotzdem entscheidet sich Otto Frank für Holland, das seine Neutralität im Ersten Weltkrieg behaupten konnte und ihm deshalb als ein ebenso sicherer Hafen vorkommt.
Leni und Erich mit den Söhnen Stephan und Buddy und Lenis Mutter Alice. Das Bild stammt aus dem Jahr 1929, kurz vor der Emigration der Familie nach Basel.
Leni und Erich mit den Söhnen Stephan und Buddy und Lenis Mutter Alice. Das Bild stammt aus dem Jahr 1929, kurz vor der Emigration der Familie nach Basel. Anne Frank Fonds Basel
Die Franks – nun in Amsterdam – und die Elias in Basel sind eng miteinander verbunden. Briefe gehen eifrig hin und her und zu den Geburtstagen kommen stets Päckchen an. «Ich danke Onkel Erich noch vielmals für das Frigor. Wann kommst Du zu uns?», schreibt die zehnjährige Margot 1936 nach Basel und erinnert daran, dass sie im Jahr zuvor mit ihren Eltern und der kleinen Anne zu Besuch in der Schweiz gewesen war. Auch wenn Basel, wo zudem Annes Grossmutter Alice lebt, jeweils der erste Ort des Wiedersehens ist, so verbringen die beiden Familien in den Jahren 1935 und 1936 gemeinsame Sommer-Wochen im Engadin.
Edith Frank mit ihren Töchtern Margot und Anne in Sils Maria, Sommer 1937. Keine überlebte den Holocaust.
Edith Frank mit ihren Töchtern Margot und Anne in Sils Maria, Sommer 1937. Keine überlebte den Holocaust. Anne Frank Fonds Basel
In Sils Maria, am Eingang zum Val Fex, besitzt Annes begüterte Grosstante Olga Spitzer eine geräumige Villa mit Blick auf See und Berge. Die glücklichen Tage an diesem Sehnsuchtsort im Silser Laret begründen eine enge Verbindung zwischen Anne und ihrem Cousin Bernd. Mag sein, dass sie bei ihrem Eintrag in das Tagebuch vom 12. Februar 1942, «die Sonne scheint, der Himmel ist tiefblau, es weht ein herrlicher Wind und ich sehne mich so, sehne mich so nach allem …»  die unbeschwerten Wochen im Engadin vor Augen gehabt hat. Es gab auch winterliche Freuden zwischen den Elias-Cousins und den Frank-Cousinen. Bernd, ein begeisterter und talentierter Schlittschuhläufer, er wird später als Eisclown Buddy bekannt, nimmt Margot und Anne anlässlich ihrer Besuche gerne auf die Basler Kunsti mit, wo er ihnen seine tollkühnen Schwünge auf dem Eis vorführt.
Eisclown Buddy in Aktion. YouTube / Anne Frank Fonds, Basel
Zurück in Amsterdam wünscht sich Anne ein Paar Schlittschuhe, auf denen sie schon bald erste Pirouetten dreht. Am 14. Januar 1941 schreibt sie an ihre Grossmutter nach Basel: «Jede freie Minute bin ich auf der Kunsteisbahn. (...) Ich nehme jetzt regelmässig Unterricht im Eiskunstlaufen, da lernt man Walzer, Springen und alles Mögliche, was zum Eiskunstlauf dazu gehört. (...). Ich hoffe, dass ich auch so gut Schlittschuh fahren lerne wie Bernd. (...). Bernd, vielleicht könnten wir später zusammen auftreten, aber dann muss ich erst mal ganz schön viel üben, um so weit zu kommen, wie du jetzt bist.» Ein halbes Jahr später werden in Amsterdam an allen Sportplätzen neue Schilder angebracht: Für Juden verboten.
Schlittschuhe aus den 1930er-Jahren: Schwarze Stiefel mit angeschraubten Kufen.
Schlittschuhe aus den 1930er-Jahren: Schwarze Stiefel mit angeschraubten Kufen. Schweizerisches Nationalmuseum
Am 6. Juli 1942 bezieht die Familie Frank ihr Versteck im Hinterhaus Prinsengracht 263, wo Anne über zwei Jahre lang ohne Kontakte zur Aussenwelt leben wird. Um ihre Spuren zu verwischen, hinterlassen die Franks an ihrer bisherigen Wohnadresse einen Abschiedszettel, der eine überstürzte Flucht in die Schweiz vortäuschen soll. Angesichts ihrer Verbindungen dahin ein glaubwürdiges Vorhaben. Doch dafür ist es mitten im Krieg zu spät gewesen.

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