
«…mit Kutscher, Wagen und Pferden ausgezeichnet zufrieden.»
Im Fin de Siècle in den Alpen unterwegs: der Bündner Lohnkutscher Emanuel Schmid und sein weltberühmter Fahrgast Wilhelm Conrad Röntgen.

Im 19. Jahrhundert entdeckte die Leisure Class Europas und der USA die Reize der Alpenwelt und begeisterte sich für firnbedeckte Gipfel, rauschende Wasserfälle und unberührte wilde Natur. Was auch zu verstehen ist als frühe Reaktion auf die ökologischen Fatalitäten der Industrialisierung: In prickelnder Champagnerluft liessen sich die rauchenden Fabrikschlote und verschmutzten Flüsse der Niederungen vergessen. Das elegante Leben auf den Boulevards, in den Cafés und Salons der Metropolen verlagerte sich also temporär, vorerst vor allem im Sommer, in die zum Playground of Europe nobilitierten Alpen, in die Hotels der angesagten Destinationen. Anfänglich war diese Art der Sommerfrische den Angehörigen einer sehr schmalen Oberschicht vorbehalten. In der zweiten Jahrhunderthälfte wurden die Touristen aber zusehends zahlreicher, obschon es Ferien im arbeitsrechtlichen Sinn noch nicht gab. Ab 1858 war Chur von Norden her mit der Bahn erschlossen. Die wichtigen Bündner Pässe waren in rascher Folge ausgebaut worden, und während die Kutschen der eidgenössischen Post im Mittelland parallel zum fortschreitenden Eisenbahnbau verschwanden, erlebten sie im schweizerischen Alpenraum eine Blütezeit.


Emanuel Schmid bewegte sich also in einem höchst interessanten Geschäftsfeld. Unproblematisch war dieses aber nicht, und zwar am allerwenigsten in Graubünden. Rasch hatten sich die dicken Börsen der internationalen Gäste im ganzen Alpenraum herumgesprochen. Der Konkurrenzkampf um die solvente Kundschaft war heftig und die dabei herrschenden Praktiken rüde. Früh erkannte die Berner Regierung einen Regelungsbedarf und erliess 1856 ein erstes Kutscherreglement für das Berner Oberland. Es ging darum, die Sicherheit der transportierten Gäste zu gewährleisten, sie vor Belästigungen und Betrug zu schützen und damit den guten Ruf der Region als Reiseziel zu wahren. Auch die Regierungen anderer Gebirgskantone mit touristischem Verkehrsaufkommen zogen mit Kutscherverordnungen nach.

Nach Nationalitäten aufgelistet ergibt sich folgendes Bild seiner dokumentierten Kundschaft: Deutsches Kaiserreich 45, Vereinigtes Königreich 25, Frankreich 10, Holland 4, USA 3, Dänemark 1. Mit 9 Einträgen ist Berlin die am häufigsten genannte Herkunftsstadt. Nur drei Schreiben stammen von Schweizer Fahrgästen, darunter eines von Leopold Iklé, einem der damals bekanntesten St. Galler Textilbarone.
![Linke Seite: «Emanuel Schmidt hat mich und Familie von Chur nach Biasca geführt und spreche ich meine volle Zufriedenheit aus sowohl betreffs Wagen & Pferde als auch dessen Geschick als Kutscher und dessen artiges und freundliches Benehmen. Biasca 31 Aug 82, L[eopold] Iklé aus St. Gallen».](https://blog.nationalmuseum.ch/app/uploads/ikle-lohnkutschrei-1882.webp)


