
Vom bernischen Vesuv ins schaffhausische Moskau
Sibirie, Afrika, Le Brésil oder Himalaia – besonders schweizerisch wirken diese Orts- und Flurnamen nicht. Und doch liegen sie in unserem Land. Wohl einige hundert solcher «exotischer» Nachbenennungsnamen gibt es in der Schweiz.


Aus derselben Vorstellung heraus erhielten einige unzugängliche Gebiete, oder solche, die nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung taugten, den Namen Afrika, etwa in Buchs SG oder Büren SO.
Scherzhafte Namen
Auch zwei Häuser mit dem Namen Petersburg in Fischingen TG und Ramsen SH wurden im Witz benannt. Ersteres wurde von einem Mann mit dem Familiennamen Peter erbaut. Weil es zu gross war, erhielt es den Spottnamen Petersburg – auch in Anlehnung an die mondäne Hauptstadt des russischen Zarenreichs. Der Bauherr des zweiten war 1822 ein Peter Neidhart – das Namenmotiv ist dasselbe. In Ramsen kamen später in Analogie zu Petersburg noch die Hausnamen Moskau und Warschau hinzu.
Weit, weit weg
Als ab dem 18. Jahrhundert immer mehr Schweizerinnen und Schweizer nach Nord- und Südamerika auswanderten (von 1850 bis 1930 waren es mehrere Hunderttausend), erhielt gerade der Name Amerika hierzulande ganz viele Konnotationen – zwei davon waren zweifellos «weit, weit weg» und (fälschlicherweise) «unbesiedeltes Gebiet im Westen». So dienten Amerika und Kanada auch zur Benennung abgelegener Fluren in der Deutschschweiz.
Auswanderinnen…
Eine ähnliche Geschichte steckt hinter dem Amerika-Egge in Uetendorf BE: Mit dem Verkauf dieses Gebiets finanzierte die Gemeinde die Auswanderung armer Bürgerinnen und Bürger. Und auch die Flur Argentinie in Niederweningen ZH erhielt ihren Namen vielleicht vom kommunalen Holzverkauf, der die Auswanderung finanzierte – in diesem Fall nach Südamerika.
…und Rückkehrer
Einen anderen Rückkehrer wiederum erinnerte ein von wildem Gestrüpp bewachsenes Auengebiet an der Aare zwischen Heimberg und Steffisburg BE an Kalifornien, wo er einst gelebt hatte. Das Gebiet, welches heute überbaut ist, erhielt daher den «eingeberndeutschten» Namen Kaliforni.
Auch in damaligen Kolonien mischten Schweizerinnen und vor allem Schweizer mit – einige besassen dort Plantagen, zum Beispiel die Basler Familie Faesch im niederländisch besetzten Surinam in Südamerika. Die Plantage im Surinam übergaben die Faeschs ihrer Tochter Margaretha Viktoria und deren Bräutigam Johann Rudolf Ryhiner als Hochzeitgsgeschenk. Dadurch inspiriert, taufte das Paar ihr 1797 errichtetes Landgut in Kleinbasel Klein-Surinam. Heute gibt es dort noch den Strassennamen Im Surinam.
Fremde Armeen
Gleich drei Schwedeschanze sind in Breitenbach SO, Beggingen SH und Pfeffingen BL belegt – dort hatte man sich angeblich vor den schwedischen Truppen verschanzt, die im Dreissigjährigen Krieg (1618-1648) unter anderem in der nördlichen Schweiz kämpften. Oder aber die Schweden selber hatten sich dort verschanzt – das ist kaum mehr zu klären.
Auch zwei Russeschanze gibt es, in Obersiggenthal AG und in Ramsen SH. In den Koalitionskriegen (1792-1815) sollen sich dort Russen verschanzt haben. Und auch die beiden Franzoseschanze in Muotathal SZ und Unterengstringen ZH dürfen in dieser Aufzählung nicht fehlen – sie sollen ebenfalls auf die Koalitionskriege zurückgehen. Allerdings kann die tatsächliche Präsenz der jeweiligen Truppen nicht an all diesen Orten belegt werden.
Weltgeschichte in der Schweiz
Etwa 50 Jahre später spielte sich in derselben Gemeinde etwas Ähnliches ab. Diesmal wurde gerade im Algerienkrieg gekämpft (1954-1962) – so wurde das abgeholzte Land kurzerhand nach der algerischen Hauptstadt Algier genannt.
Das heilige Land
Einen sogenannten Wunschnamen hat wohl der Weiler Bethlehem in Homburg TG – er wurde ursprünglich mehrheitlich von frommen freikirchlichen Berner Einwanderern bewohnt. Wie das Berner Stadtquartier Bethlehem zu seinem Namen kam, ist unklar. Wenn es nicht eines der beiden obengenannten Motiven war, dann stellte der Ort ursprünglich vielleicht eine Station auf einem Pilgerweg dar, die mit dem Geburtsort Jesu in Verbindung stand.
Im Kanton Luzern gibt es ausserdem zwei Höfe, die Libanon heissen. Beide liegen an einem Abhang und wurden wohl deshalb im Witz nach dem damals aus der Bibel bekannten nahöstlichen Gebirge benannt. Auch Bäche mit dem scherzhaft-biblischen Namen Jordan gibt es mehrere in der Deutschschweiz – in Berlingen TG liegt der Jordan gleich neben dem Öölbärg.
Die ewigen Sarazenen
In Namen wie Bisse des Sarrasins («Suone der Sarazenen») in Anniviers VS oder Le Sarrasin in Ponthaux FR verweist «Sarazenen» entweder auf ein hohes Alter (die Vorstellung, dass schon die Sarazenen die Suone erbaut haben) oder aber auf den Anbau von Buchweizen (französisch «(blé) sarrasin»), weil dieses Getreide über die muslimischen Tataren nach Europa kam.
Ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit vielen Türkeien in der Zentral- und Ostschweiz. In der östlichen Hälfte der Deutschschweiz wurde bis ins 20. Jahrhundert der Mais «Türgg(e)» genannt – man vermutete die Herkunft des mittelamerikanischen Korns in der Türkei (vgl. auch italienisch «granoturco»).


