
Literatur für alle
Mit einem Gratisbuch liessen zwei junge Kulturschaffende 1971 die Welt aufhorchen. Sie verteilten es in der ganzen Deutschschweiz und hatten dabei prominente literarische Unterstützung.
Begonnen hatte dieser Weg mit einer Plakat-Aktion von Theo Ruff. Peter K. Wehrli sah das Plakat in einer Galerie und schloss sich Ruff sofort an. Die ursprüngliche Idee war, junge Autoren zu ermuntern, Texte einzureichen, doch die meisten der rund 300 Einsendungen waren enttäuschend. «Sie stammten zum grössten Teil von jungen Leuten zwischen 15 und 25 Jahren. Wir gaben den Texten damals den Namen ‹Weltschmerzlyrik›», erinnert sich Peter K. Wehrli. Deshalb entschieden sich die Initianten, bekanntere Autoren anzuschreiben. Etwa Peter Bichsel, Max Frisch oder Adolf Muschg.

Dafür lieferten andere. Besonders stolz waren die Initianten auf den Text von Hugo Loetscher. Der Schriftsteller und Journalist hatte 1964 fürs Schweizer Fernsehen einen Film über Portugal gedreht – das Land litt in jenen Jahren unter der Diktatur von Antonio de Oliveira Salazar. Der Film «Ach, Herr Salazar» des Zürchers war ein Plädoyer für die Freiheit des Landes. Nachdem die portugiesische Botschaft vom Vorhaben des Schweizer Fernsehens erfahren hatte und sich darüber beschwerte, stoppte die Fernsehdirektion den Film kurz vor dessen Ausstrahlung.

«Ach Herr Salazar, bald sind es vierzig Jahre, dass sie regieren. Wer dem Land so lange dient, muss es lieben. Der Namen sind so viele, so viel es Sehenswürdigkeiten gibt. Dies aber, Herr Salazar, ist ihre Sehenswürdigkeit. Die Festung von Caxias, siebzehntes Jahrhundert, mit politischen Gefangenen des zwanzigsten.»
Nach diesem Eklat konnte Loetscher bis zur Nelkenrevolution von 1974, die Salazars Diktatur ein Ende setzte, nicht mehr nach Portugal reisen.
TV-Beitrag über das Gratisbuch. SRF
Die Bilder zum Gratisbuch stammen vom Schweizer Fotografen Eric Bachmann (1940-2019). Er realisierte zahlreiche Reportagen im In- und Ausland und porträtierte unzählige Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts wie Muhammad Ali, Friedrich Dürrenmatt, Bob Marley, Astrid Lindgren und viele mehr. Sein Archiv wird in Kaiserstuhl aufbewahrt und ist unter ericbachmann.ch teilweise digital zugänglich.