Von der Apotheke in den Supermarkt
Ovomaltine ist ein beliebtes Frühstücksgetränk. Erfunden hat es ein Chemiker und in der Anfangszeit war es nur in der Apotheke erhältlich.
Angepriesen wurde das Malzpräparat als «Kraftnährmittel für Bleichsüchtige, Blutarme, geistig oder körperlich Erschöpfte sowie für stillende und schwächliche Frauen». Mit dieser Annonce für sein neuestes Produkt wirbt der Berner Chemikalien- und Malzzuckerfabrikant Albert Wander 1904 in der schweizerischen Wochenschrift für Chemie und Pharmazie. Dabei sind die Gerstenmalzextrakte nur ein kleiner, wenn auch vom Gründer des chemisch-technischen und analytischen Laboratoriums, Georg Wander (1841-1897) beharrlich entwickelter Geschäftszweig. Sein Sohn Albert, mehr Entrepreneur als Tüftler, beginnt nach dem Tod des Vaters das Unternehmen zielstrebig zu erweitern. Um die Jahrhundertwende produziert die stetig expandierende Wander AG: Pillen, Tabletten, Granulate, Salben und Suppositorien zur Linderung aller nur erdenklichen Beschwerden, aber auch Nährmittel, aromatische Sirups, Zahnpasten, Kinderpuder und allerlei wohlklingende kosmetische Präparate, die - landauf landab - den Namen Wander bei den Apotheken und ihren Kunden bekannt gemacht haben. Die Wander AG ist so vielfältig, dass sie bis 1940 mehr pharmazeutische Präparate am Markt hat als die Basler Sandoz.
Ovomaltine zuerst nur in Apotheken verkauft
Trotz der schönen Erfolge mit Pillen und Pasten will der ehrgeizige Patron das traditionelle Kerngeschäft, die Malzprodukte, weiter vorantreiben. Er spürt, dass er sich mit dem Gemischtwarenladen seiner Spezialitäten - Malz zur besseren Verdauung, Malz jodeisenhaltig, Malz mit Brom gegen Keuchhusten, Malz mit Lebertran oder als Bonbon in Kugelform - verzetteln wird. Ihm schwebt ein universeller Kraftspender vor; ein Nährmittel für Gesunde und Kranke, für Junge und Ältere, für Sportler und Stubenhocker. In langwierigen Versuchen schaffen es die Chemiker der Wander AG den Malzextrakt mit Milch, Ei, Hefe und Kakao zu vermengen und so zu konservieren, dass die Nährwerte erhalten bleiben. 1903 gelingt damit der Durchbruch, zunächst als Maltosan, ein Jahr später als Ovomaltine. Das neuartige Kraft-, und Nährmittel wird zunächst nur in Apotheken verkauft. Ab 1922 positioniert die Wander AG ihr Flaggschiff durch gezielte Werbung als Frühstücks- und Schlummertrunk für eine zunehmend körper- und gesundheitsbewusste Allgemeinheit.
Der Absatz verdreifacht sich. Albert Wander, der seinem Nährmittel einen Weltmarkt zutraut, beginnt noch vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Aufbau eines Ovomaltine-Imperiums. Es entstehen die Wander Company in Illinois (USA), die Etablissements Wander in Frankreich oder die Wander Limited in London, die eine grosse Fabrik in der Grafschaft Hertford betreibt. In rascher Folge werden Produktionsstätten und Niederlassungen in Budapest, Wien, Prag, Zagreb aufgebaut - um nur einige zu nennen. Ovomaltine avanciert zum Inbegriff eines Kraftspenders für den aktive Menschen.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass das Eidgenössische Kriegskommissariat die Wander AG 1937 auffordert, eine nahrhafte Zwischenverpflegung für die Truppe zu entwickeln. Im Hochgebirge soll sie ein Mittagessen ersetzen können und zudem so lagerfähig sein, dass sie als ein «Notvorrat für alle» genutzt werden kann. Es entsteht die Militär-Ovomaltine, die später als Ovo Sport vermarktet wird. Von nun an kommt kaum ein Sportanlass in der Schweiz ohne Ovo-Werbung aus. Pelé und Muhammad Ali, Skikanonen, Waffenläufer und der Tour-de-Suisse-Sieger Ferdy Kübler preisen den Kraftspender. Mount Everest Bezwinger Sir Edmund Hillary hatte die Ovo sogar im Gipfelrucksack. Sie alle haben es mit hartem Training und Ovomaltine weit gebracht, textet die Werbeabteilung von Wander in der 1950er-Jahren.
1967 übernimmt die Sandoz AG, Basel die ehemalige Konkurrentin. 2002 geht die Wander AG an einen britischen Nahrungsmittelkonzern über, was viele Schweizerinnen und Schweizer damals als Verkauf eines Stückchens Heimat empfunden haben.