Rumantsch
Rätoromanisch wurde 1938 vom Schweizer Stimmvolk als vierte Landessprache angenommen. Das wuchtige Ja war auch ein kräftiges Nein gegen den Faschismus.
Vom Nebelspalter bis zur Schweizer Illustrierten, von Radio Beromünster bis zum Bundesrat: plötzlich hatte das Rätoromanische viele Freunde. Der gemischte Chor von Samedan ging auf Tournee – stets in Tracht und mit verbilligten Tickets von der SBB. Das Ergebnis vom 20. Februar 1938 war nicht nur ein wuchtiges Ja zum Romanischen, sondern auch ein kräftiges Nein gegen den Faschismus.
Einige Monate später erklärte Bundesrat Philipp Etter die kulturelle Vielfalt, die Ehrfurcht vor der Würde des Menschen und die Absage an einen Führerkult zu Grundwerten der Schweiz – und nicht der Staat, sondern jeder Bürger habe diese zu beschützen. Inhaltlich war diese «Geistige Landesverteidigung» zum Glück so schwammig, dass sich (mit Ausnahme der faschistischen Fröntler) praktisch jeder mit ihr identifizieren konnte. In Stein und Bilder gehauen wurde Etters neue Staatsphilosophie bereits im Jahr drauf an der Landesausstellung in Zürich, wo direkte Verbindungen von Wilhelm Tell zur Wehrbereitschaft für den dräuenden Weltkrieg gezogen wurden. Am Ende der Ausstellung stand die Nationalhymne auf Deutsch, Französisch, Italienisch – und Rumantsch. Die eigensinnigen Bergler passten zum Selbstbild, das sich die Schweiz in diesen Tagen geben wollte.
Noch während der «Landi» brach der Krieg schliesslich aus. Die Türme der Seilbahn, welche die Ausstellungsgelände beidseits des Zürichsees verbunden hatte, wurden abgebaut und für Bunkeranlagen verwendet. Es folgten Jahre im physischen und geistigen Reduit. Die Bunker sind heute fast gänzlich verschwunden oder werden anders genutzt. Geblieben ist die vierte Landessprache: Rätoromanisch!