
Zwischen Montessori und Faschismus
Teresa Bontempi hat die Tessiner Geschichte Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt. Erst als Pädagogin, später als Verfechterin des Faschismus. Sie war eine Frau mit zwei Gesichtern.
Das Verhältnis zur Deutschschweiz war in diesen Jahren angespannt. Die noch junge Gotthardbahn brachte viele Menschen aus dem Norden ins Tessin, was dort die Angst vor einer deutschsprachlichen Dominanz auslöste. Verstärkt wurde dieses negative Gefühl von der schwierigen ökonomischen Lage. Es entwickelte sich ein Minderwertigkeitskomplex gegenüber der Deutschschweiz. Immer häufiger versuchte man im Tessin den (Eid-)Genossen ennet dem Gotthard einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte des jungen Benito Mussolini. Der italienische Revolutionär und Verweigerer der Wehrpflicht wurde 1904 in Genf wegen der Fälschung seines Passes verurteilt und ausgewiesen. Bereits zum zweiten Mal seit seiner Einreise in die Schweiz 1902. Doch die Tessiner Regierung sah das anders und liess ihn in Bellinzona wieder frei. Ein Seitenhieb gegen den Rest der Schweiz.
Aggressive Töne gegen die Eidgenossenschaft
Gleichzeitig macht sie sich für die italienische Kultur stark und gründet gemeinsam mit Rosa Colombi 1912 die Wochenzeitung L'Adula. Finanziert wird die Publikation mit faschistischem Kapital und hat vor allem in Italien zahlreiche Leserinnen und Leser. In den Artikeln vermischen sich kulturelle Anliegen immer mehr mit politischen Statements und einem wachsenden Irredentismus.
Der Spagat zwischen Motessori-Pädagogik und einer faschistischen Ideologie wird für Teresa Bontempi immer grösser. In den 1920er-Jahren greift die Presse die kantonale Kindergarten-Inspektorin mehrmals wegen ihrer als antipatriotisch geltenden Haltung frontal an. Sie wird sogar für ein Jahr vom Dienst suspendiert, dann aber wieder ins Amt eingesetzt.
L'Adula gilt inzwischen als eindeutig pro-faschistisches Organ. Dass Mitherausgeberin Rosa Colombi inzwischen mit dem Faschisten Piero Parini verheiratet war, half auch nicht, diesen Eindruck zu mildern. Der Italiener macht unter Mussolini Karriere und regiert ab 1941 die von Italien besetzten Ionischen Inseln. Dort verhält er sich wie ein Diktator und macht, was ihm gefällt.
Verbot und Verurteilung
Bereits vor ihrer Verhaftung hatte sich das politische Klima im Süden der Schweiz gewandelt. Mit der Ermordung des Sozialdemokraten Giacomo Matteotti 1924 wurde immer offensichtlicher, dass Italien und der Faschismus eine echte Bedrohung darstellen. Auch für das Tessin. Es begann eine Abkehr vom Irredentismus, die schliesslich Jahre später in einer grossen Hilfsaktion für die Partisanenrepublik Ossola gipfelte.
Politisch hat sich Teresa Bontempi kontinuierlich ins Abseits manövriert. Beruflich hat sie mit der Verbreitung der Montessori-Pädagogik einen grossen Schritt für die Kindererziehung im Tessin und in der Schweiz gemacht. Doch der faschistische Schatten, der sie stets begleitet hat, liess eine Honorierung dieser Leistung lange Zeit nicht zu.


