
Kopernikus, der Ketzer
Nikolaus Kopernikus gilt als Mitbegründer der modernen Astronomie. Sein heliozentrisches Planetenmodell löste in den Kreisen der Reformation einen Aufschrei der Empörung aus, allem voran in der Schweiz.
Animation des kopernikanischen Planetenmodells aus «De revolutionibus orbium coelestium».rnMehr Informationen zur Animation gibt es auf: thomasweibel.ch
Philipp Melanchthon, Weggefährte Martin Luthers und ein scharfer Kritiker Kopernikus’, liess sich 1549 zu einer regelrechten Brandrede hinreissen: «Doch gewisse Leute haben entweder aus Neuerungssucht oder um ihre Klugheit zu zeigen geschlossen, dass sich die Erde bewegt. Sie behaupten, dass sich weder die achte Sphäre [die Fixsterne] noch die Sonne drehen… Doch es zeigt einen Mangel an Ehre und Geschmack, solche Vorstellungen öffentlich zu äussern, das Beispiel ist gefährlich. Es ist Pflicht eines guten Christen, die Wahrheit, wie sie von Gott offenbar wurde, zu akzeptieren und auf sie zu vertrauen.» Noch weiter ging in Genf Johannes Calvin: «Wir sehen einige Leute, die so verrückt sind (…), dass sie überall ihr widernatürliches Wesen zeigen müssen und sagen, dass die Sonne unbeweglich ist, und dass es die Erde ist, die sich bewegt und dreht.» Calvin liess keinen Zweifel daran, wer damit gemeint war: «Wer wird es wagen, die Autorität von Kopernikus über die des heiligen Geistes zu stellen?»


Im Fall des Papstes sollten sich die Befürchtungen fürs erste nicht bewahrheiten: Kopernikus’ Berechnungen wurden 1582 gar der gregorianischen Kalenderreform zugrunde gelegt. Doch als die Flut der Protestschriften nicht abriss, begann Rom einzuknicken und setzte die «Kongregation für den Index verbotener Bücher» ein; als sich schliesslich gar der Universalgelehrte Galileo Galilei in seinem Konflikt mit der Kirche auf das kopernikanische Weltbild berief, eröffnete die Inquisition ein Verfahren, das mit einem Verbot der «Revolutionibus» endete. Indes: Das Verdikt blieb durchaus halbherzig, denn Kopernikus‘ Modell löste auf einen Schlag eine ganze Reihe bisheriger astronomischer und mathematischer Probleme. Mit einer Reihe kleinerer Änderungen, die den hypothetischen Charakter hervorhoben, durfte Kopernikus’ revolutionäres Werk am Ende doch weiter gedruckt und gelesen werden.


