
Der nackte Sonnendoktor
An Naturheiler Arnold Rikli schieden sich die Geister. Seine ganzheitliche Therapieform mit Nacktbaden verwirklichte er in einer eigenen Heilanstalt. Nicht in der Schweiz, sondern im heutigen Slowenien. Das inspirierte, denn der Monte Verità geht letztlich auf Rikli zurück.

Rikli nahm das wahr und beschäftigte sich mit der Heilkraft des Wassers, der Luft und der Sonne. Um der väterlichen Fuchtel zu entkommen, heiratete er schon mit 21 Jahren und wanderte ein Jahr später aus. 1845 gründete er mit seinen Brüdern Karl und Rudolf eine Garnfäberei in Seebach in Oberkärnten. Auch hier fühlte er sich mehr der Naturheilkunde und der «Wasserheilkunst», wie er sie nannte, verbunden: «Ich fing an, unsern kranken Arbeitern Rath zu erteilen mit hydriatischen Anwendungsformen.» Zudem pröbelte er an neuen Gerätschaften herum und konstruierte einen originellen Bettdampf-Apparat und bekam in der Umgebung den Namen «Wasserarzt». Erste gute Resultate mit seiner Heilkunst führten dazu, dass er ganz auf dieses Gebiet setzen wollte.


Der «Sonnenarzt», wie man ihn nannte, empfing die Kranken stets barfuss und nur minimal gekleidet. Es gibt Bilder, die zeigen ihn unbekleidet bis auf ein Höschen, das aussieht wie eine Stoffwindel. Was heute merkwürdig bis albern wirkt, war damals umstritten und verwegen. Rikli war der Pionier der Nacktkultur schlechthin, lange vor Naturismus, Freikörperkultur und Nudismus. Bei seinen Kuren setzte er auf den Wechselreiz von Wasser, Luft und Licht, welcher das körperliche und seelische Gleichgewicht wiederherstellen sollte. Rikli verkürzte sein Motto mit einem Reim:
Wasser tut’s freilich, alles doch nicht, noch höher die Luft steht, am höchsten das Licht!

Zudem machte er folgenreiche Fehler. In grenzenloser Selbstüberschätzung behandelte er auch schwere Krankheitsfälle und scheiterte mit seinen Therapieformen: Pockenkranke etwa starben an seiner Behandlung! Er feindete die Schulmedizin als «phantastisches therapeutisches Lehrgebäude» an, bestritt die Wirkung von Impfungen, hielt Operationen für unnötig und bezweifelte grundsätzlich den Wert wissenschaftlicher Studien.
Prompt wurde er immer wieder von Ärzten angefeindet und vor Gericht gezerrt. Diese nannten ihn nicht den «Sonnenarzt», sondern den «Narrenarzt». Rikli war das egal, er verbreitete seine teils kruden Ansichten in heilkundlichen Publikationen, die grosse Verbreitung fanden. Riklis Fazit nach jahrelangem Kampf: «Das Volk wäre viel gesünder, wenn wir keine Ärzte besässen.»

Keimzelle des Monte Verità
Während der Monte Verità weltbekannt wurde, geriet Riklis Kuranstalt in Bled nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie und hinter dem eisernen Vorhang in Vergessenheit. In den letzten Jahren aber änderte sich das und Slowenien bemühte sich aktiv um Gäste auch aus der Schweiz.

