
Matthäus Schiner: Ein Walliser im Zentrum der Macht
Vom Bauernsohn zum fast-Papst: Der aus dem Oberwallis stammende Matthäus Schiner (um 1465-1522) war während dem Höhepunkt der Eidgenössischen Macht in Europa eine entscheidende Figur der europäischen Politik und ist bis heute umstritten.
Schiners Lehrjahre
Als versierter Linguist verblüffte Schiner seine Gesprächspartner mit fliessendem Hochdeutsch, Latein, Französisch sowie mehreren italienischen Dialekten, darunter auch Venetisch. Der Geist der italienischen Renaissance beeinflusste Schiners Persönlichkeit und Vorlieben nachhaltig: Er liebte die romantischen Geschichten Boccaccios sowie Dantes Gedichte – Julius Caesar, Livius, Tacitus und Sueton waren seine Lieblingsautoren. Schiner war sich klar bewusst, dass es für den nachhaltigen Erfolg innerhalb der Kirche Fähigkeiten im politischen Bereich brauchte. Das politische Ränkespiel wie auch künstlerisches Gespür wurden so zu seiner zweiten Natur.

In den 1490er-Jahren war das Wallis gespalten zwischen jenen, die sich politisch an Frankreich orientierten – vor allem Geistliche und Behördenmitglieder im Unterwallis –, und jenen, die sich engere Beziehungen zu Mailand und Österreich wünschten. Schiner machte keinen Hehl aus seinen engen Beziehungen zu den Sforza in Mailand, zum Papsttum und dem Heiligen Römischen Reich. In seinen Augen waren Frankreich und Savoyen habsüchtige Nationen, die nicht nur Italien und die Alte Eidgenossenschaft, sondern die ganze Christenheit beherrschen wollten. Schiner riet von der Unterstützung der Machtausdehnung Frankreichs auf Norditalien ab, um die inländischen Interessen der Eidgenossenschaft zu wahren sowie den Handel über die wichtigsten Alpenpässe – von denen viele im Wallis lagen – sicherzustellen. Die erfolgreiche Eroberung Mailands durch Frankreich und der Beginn des Schwabenkriegs führte von 1499 bis 1500 zu einer umfassenden Machtverschiebung in Westeuropa. Sehr zu Schiners Unmut unterzeichneten Frankreich und die Eidgenossenschaft 1499 einen zehnjährigen Bündnisvertrag. Von diesem Zeitpunkt an setzte Schiner sich unermüdlich für die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit des Papsttums und der Eidgenossenschaft von Frankreich ein.

Ich will meine Hände waschen und mit dem Blut der Franzosen tränken.

Das grosse Machtspiel

Massimiliano Sforza regierte mit seiner Zustimmung als Herzog von Mailand, war aber eigentlich eine Marionette der Schweiz. Jetzt träumte Schiner davon, die Eidgenossenschaft nicht nur auf Mailand, sondern auch auf Genua auszuweiten, was dem Bündnis einen Zugang zum Mittelmeer eröffnet hätte. Schiner war überzeugt, dass dies dank des Silbersegens aus Spanien, Österreich und Rom möglich wäre. Vielleicht war Schiner vor lauter Machtträumerei kurzsichtig geworden, denn da so viele Schweizer Männer in den Söldnerarmeen Europas dienten, fehlten der Eidgenossenschaft die Arbeitskräfte. Der soziale und wirtschaftliche Zerfall in der Schweiz schürte dort das Banditentum und die Armut. Gleichzeitig interessierten sich korrupte Schweizer Politiker mehr für Geld als für Gesetze. Das Ausmass und die Kosten des Söldnertums rissen die Eidgenossenschaft zunehmend auseinander. Zudem entging Schiner die Tatsache, dass neue Artilleriewaffen mit Ursprung in Österreich die vermeintliche Unbesiegbarkeit der eidgenössischen Pikeniere zunichtemachten. Zwar führte Schiner die Eidgenossen in der Schlacht bei Novara im Juni 1513 zu einem letzten grossen militärischen Sieg, wurde zwei Jahre später jedoch vom jungen französischen König Franz I. ausgebremst. Rund 10’000 Schweizer starben im September 1515 während des 16 Stunden andauernden brutalen Kampfes auf den Feldern rund um Marignano. Als Franz I. einige Wochen später siegreich in Mailand einzog, soll er zu den versammelten Menschen gesagt haben: «Ich habe diejenigen besiegt, die nur Cäsar besiegt hat.»

Ein grober Klotz wie dieser Schiner, dessen Worte mir mehr geschadet haben als all die Lanzen seiner Bergler…

Die wilden letzten Jahre


Ich hoffe nur, dass unsere jeweiligen Unternehmungen von Erfolg gekrönt sein mögen, oder vielmehr, dass alle unsere Unternehmungen gleichermassen zur Ehre Christi beitragen.

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SRF Zeitblende vom 27.8.2022 zum 500. Todesjahr von Matthäus Schiner. SRF