
Eishockey — etwas für harte Kerle?
Sport widerspiegelt immer Geschlechterrollen und -bilder. Beim Eishockey fallen diese besonders auf, was viel mit der Entstehungsgeschichte dieses Sports zu tun hat.
Das ist zumindest die landläufige Vorstellung von Eishockey. Ein Blick in die Anfänge des Sports zeigt aber – harte Typen müssen jetzt stark sein –, dass die Frauen zunächst ganz selbstverständlich mitspielten.




In den noblen Internaten wiederum diente das Spiel in erster Linie als Erziehungsmittel für junge Männer, wie es exemplarisch im Jahresbericht 1923/24 des Lyceum Alpinum Zuoz beschrieben wird: «Eine derart gebundene Spiel- und Bewegungstätigkeit hat in verschiedener Hinsicht ihren hohen erzieherischen Wert: die Gemeinschaftsarbeit fördert den Sinn für Solidarität und Kameradschaft; die Spiele selbst erfordern Mut, Geschicklichkeit und Ausdauer, und in ihrer auf den Gegner gerichteten streng geregelten Kampfform erziehen sie vor allem zu den echt männlichen Tugenden der Selbstbeherrschung und der Loyalität.» Über den Wettkampf sollten also Regeln, Teamfähigkeit und eine bestimmte Art von Männlichkeit – der vernünftige Gentleman, der seine Gefühle und seinen Körper jederzeit unter Kontrolle hat – eingeübt werden. Vorbild für dieses Erziehungsideal waren die elitären Public schools Grossbritanniens, die deshalb bis heute ein reichhaltiges Sportprogramm anbieten.

Solche biologistischen Argumentationen wurden damals von Ärzten (und wenigen Ärztinnen) befördert, welche Sportarten entsprechend den damals vorherrschenden Geschlechterbildern in «typische» Frauen- und Männersportarten aufteilten. Dabei mussten oft die unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen und Konstitutionen als Argument für den Ausschluss von Frauen herhalten. Es gab aber auch Sportarten, bei denen beide Geschlechter mitmachten. In den entsprechenden Lehrbüchern und den Regelwerken wurden trotzdem geschlechtsspezifische Unterschiede konstruiert: So sollten Turnerinnen bloss «sanfte» Gymnastik betreiben, während die Turner schwierige und kraftvolle Übungen an den Geräten vorzeigen sollten. Skifahrerinnen absolvierten zwar auch Abfahrten, im Vergleich zu den Skifahrern waren diese aber weniger steil und weniger anspruchsvoll gesteckt.
In der Schweiz entwickelte sich Eishockey nach 1900 zu einem reinen Männersport, weil mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs der ausländische Eishockey-Tourismus zum Erliegen kam und danach in Vergessenheit geriet oder von anderen Sportarten abgelöst wurde. Zudem kam bereits ein paar Jahre vor dem Krieg die «Versportlichung» des Schweizer Eishockeys in die Gänge, das Spiel entwickelte sich von einer Freizeitbeschäftigung und einem Erziehungsmittel zu einem leistungsorientierten Wettkampfsport mit entsprechenden Regelwerken, Teams, Vereinen und Verbänden. Ausgangspunkt dafür waren die elitären und rein männlich geprägten Internate aus der Genferseeregion, die jeweiligen Schüler- und Lehrerteams wandelten sich mit der Zeit zu Eishockeyclubs und waren Vorbild für weitere Vereinsgründungen. Auch die Waadtländer Hoteliers setzten auf die «neue» Art von Eishockey, in den Clubs sahen sie ein ideales Marketinginstrument für ihre Kurorte. So wurden beispielsweise Einladungsturniere mit Mannschaften aus Frankreich und Grossbritannien organisiert, über die werbewirksam in der in- und ausländischen Presse berichtet wurde. Die Westschweizer Internatsdirektoren und Hoteliers standen deshalb auch hinter der Gründung des ersten Schweizer Eishockeyverbands im Jahre 1906. Dieses institutionalisierte Eishockey sah jedoch keine Spielerinnen vor.



Alle die erwähnten Faktoren trugen dazu bei, dass Fraueneishockey nach dem Zweiten Weltkrieg zumindest in Europa für drei Jahrzehnte in der Versenkung verschwand. Erst mit dem gesellschaftlichen Aufbruch nach 1968 wurde es wiederbelebt: Erste Teams entstanden in den frühen 1970ern in Skandinavien, der erste Fraueneishockeyverein der Schweiz wurde 1980 in La Vannerie FR gegründet. Vier Jahre und acht Clubgründungen später anerkannte der Schweizerische Eishockeyverband (SEHV) das Fraueneishockey. In den 1980er-Jahren wurden auch nationale und internationale Meisterschaften ins Leben gerufen, die (damals noch inoffizielle) Schweizer Frauenmeisterschaft startete 1986.
Bericht über das Schweizer Frauennationalteam, Karussell, 13.04.1987. SRF
Allerdings – so hart sind die Eishockey-Fighter nun aber auch wieder nicht: Sie spielen im Gegensatz zu den Anfängen des Sports mit Helm, gepolsterten Schonern und Zahnschutz.
Swiss Sports History

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Swiss Sports History, dem Portal zur Schweizer Sportgeschichte, entstanden. Die Plattform bietet schulische Vermittlung sowie Informationen für Medien, Forschende und die breite Öffentlichkeit. Weitere Informationen finden Sie unter sportshistory.ch.