
Georg, Martin, Nikolaus – zeitlose Humanität
Heiligenlegenden werden ohne Fussnoten geschrieben. Überprüfen lassen sie sich nicht. Ihre Bedeutung liegt im moralischen Anspruch, der als sanfter Appell in kunstvollen Darstellungen fortlebt.
Die Vierzehn Nothelfer




«Johannes, du muost in den ofen!» – Reformation, Verbannung der Heiligen
Schelmereien gab es doch. So etwa berichtet Thomas Platter (1499–1582) in seiner Biografie: «Do ich nun custos [Küster, Sigrist] was, hatt ich offt mit holtz inzuoheitzen. Eins morgen hatt ich kein holtz, und wolt Zwinglin zum frowen minster praedigen vor tag. Und als man zpredig lutt, gedacht ich: du hast kein holtz, und sind sovill götzen in der kilchen; und die will [derweil] noch niemantz do was, gieng ich in kilchen zum nechsten altar, erwutst [erwischte] ein Johannes und sprach zuo im: ‹du muost in den ofen!›»
Felix und Regula – vorläufiger Sonderstatus für die Zürcher Stadtheiligen
Trotzdem geriet auch ein Altarbild mit Felix und Regula in den Bildersturm. Allerdings ging es nicht um irgendein Bild. Sein Hintergrund war ein «Konterfey» der Stadt Zürich, das an Detailtreue alles Bisherige übertraf, sich messen liess mit den Stadtansichten Venedigs jener Zeit. Selbst Bilderstürmer mussten die Bedeutung dieses Gemäldes erkennen. Daher wurde die Heiligenlegende nur so weit beseitigt, dass die Stadtansicht nicht litt. Unten sägte man 60 cm ab, oben 15 cm. Vier Jahrzehnte später genügte selbst das nicht mehr. Die Heiligenfiguren wurden übermalt, die bisher zugedeckten Stellen ergänzt, vor allem mit Bauten an der Schipfe.


Das Jüngste Gericht – irritierende Willkür
Im Gegensatz zu Bern wurde in Basel das Giebelfeld am Hauptportal des Münsters zerstört. Am nördlichen Seiteneingang der gleichen Kirche jedoch blieb das Jüngste Gericht über dem Eingang der Galluspforte verschont – seltsam. Lag es daran, dass Christus hier die Menschen mit Milde und Freundlichkeit empfing, nicht mit furchterregender Strenge? Fiel ins Gewicht, dass das älteste romanische Figurenportal im deutschsprachigen Raum (um 1185) eine wirkmächtige Aura hatte?
Ausnahmen von der Regel


Georg – ritterlicher Mut im Kampf gegen das Böse
Vertreter der Führungsschicht, die in Stadt- und Landorten im Begriff waren, sich als «Ehrbarkeit» nach oben abzusetzen, erwarben an ausländischen Höfen Wappen- und Adelsbriefe und liessen sich für gutes Geld zum Ritter schlagen. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass Aegidius Tschudi (1505–1572) ausgerechnet den mythischen Ritterbezwinger Winkelried in den Ritterstand erhob, nachzulesen in seinem Chronicon von 1550: «Arnolt von Winkelried genannt, ein redlicher ritter».

Martin – Barmherzigkeit, beidseits wirksam
Wie so oft, reicht die Legende vom heiligen Martin zeitlich in die Spätantike zurück. Punkto Quellen kommt auch sie aus zappendusterem Dunkel. Dennoch gehört Martins Teilung des Mantels fraglos zum moralischen Welterbe.


Nikolaus – am Golde hängt nicht alles
Laut namhaften Volkskundlern war die Nikolaus-Gestalt «zäh, unverwüstlich und offenbar auch in Zürich psychologisch notwendig». Man nimmt an, dass sich der Nikolaus-Brauch in Gebieten der neuen Konfession selbst in der Reformationszeit hielt. Urform bleibt Urform.


