
Der Geopolitiker aus Brig
Mitten im Dreissigjährigen Krieg macht Kaspar Stockalper den Passweg über den Simplon zu einer Hauptachse Europas. Als erster Schweizer Multiunternehmer wird er unsäglich reich. Er verkehrt mit Kaisern, Königen und Päpsten, mischt in der europäischen Politik mit – und fällt tief.
Geostrategischen Vorteil nutzen
Stockalper geht planmässig vor. Zunächst unternimmt er eine Studienreise durch Burgund, Frankreich und Belgien an die Kanalküste, macht sich mit den Marktverhältnissen vertraut und vergesellschaftet sich mit einem Transportkonsortium in Antwerpen und einem Handelshaus in Solothurn. Im März 1634 gelingt dem 25-Jährigen ein Coup. Der Turiner Hof beauftragt ihn, die Bourbonen-Prinzessin Marie-Marguerite de Carignan, Gattin des Grafen von Savoyen und verwandt mit dem französischen König, mit ihrem Gefolge über den verschneiten Simplon zu eskortieren. Mit 150 Reit- und Lastpferden und 200 Helfern erledigt er den Geleitzug von Brig nach Domodossola in zwei Tagen. Neben einem stattlichen Honorar erhält er Publizität für sich und den Pass. Sein Beziehungsnetz reicht nun an die französischen, savoyischen und lombardischen Höfe, wo er als fähige Figur am Simplon gilt.
Dies ermöglicht ihm, die Verkehrsinfrastruktur von Gondo über den Simplon durchs Wallis an den Genfersee zu übernehmen. Er verpflichtet die Säumergenossenschaften, zieht Gebühren und Zölle ein, verbreitert den mittelalterlichen Weg, baut Brücken und Stützmauern, richtet Warenlager und Zollstationen ein und errichtet auf der Passhöhe und in Gondo Sustburgen als Zeichen seiner territorialen Kontrolle. Die Prinzipien der Globalisierung hat er rasch erkannt: Arbeitsteilige Produktion und Güteraustausch über weite Strecken steigern die Rentabilität. Schnelle Verkehrswege, zuverlässige Transporte und rasche Kommunikation ermöglichen es, das Kapital schnell umzuwälzen und aus den Preisdifferenzen zwischen Ursprungs- und Verkaufsort Profit zu schlagen.
Neben dem Eisenbergwerk übernimmt Stockalper im Wallis zwei Bleiminen und eine Kupfermine und lässt in Gondo Gold schürfen. Er verschafft sich die Monopole auf Zunderschwämme, Lärchenharz und Schnecken, in Frankreich eine beliebte Delikatesse zur Fastenzeit. Zugleich treibt er seine politische Karriere voran. Erst sind es Funktionen im Zenden Brig, dann auf Landesebene. Er wird auf diplomatische Missionen geschickt und dient sich durch alle Chargen, die die Republik Wallis zu vergeben hat.
Verzahnung von Geschäft und Politik
Der König von Brig
In einer dreiteiligen Serie beleuchtet Historiker und Autor Helmut Stalder Aufstieg und Fall von Kaspar Stockalper, des «Königs von Brig»:
Teil 1: Der Geopolitiker aus Brig
Teil 2: Neutralität als Geschäftsmodell
Teil 3: Geld scheffeln bis zum Untergang
Mehr zu Stockalper gibt es in Helmut Stalders Buch «Der Günstling. Kaspar Stockalper – Reichtum, Macht und der Preis des Himmelreichs», das 2022 erschienen ist.
Teil 1: Der Geopolitiker aus Brig
Teil 2: Neutralität als Geschäftsmodell
Teil 3: Geld scheffeln bis zum Untergang
Mehr zu Stockalper gibt es in Helmut Stalders Buch «Der Günstling. Kaspar Stockalper – Reichtum, Macht und der Preis des Himmelreichs», das 2022 erschienen ist.


